Thomas Rebel und eine der Fotografiken am Rathaus Foto: factum/Granville

Der Fotograf und Künstler Thomas Rebel verwandelt die Melanchthon-Stadt für ein halbes Jahr in eine gigantische Freilichtausstellung – er zeigt große Fotografiken auf Kirchtürmen und Brückenpfeilern.

Bretten - Viele der 23 großformatigen Fotografiken mit zusammen 3339 Quadratmetern Fläche hängen bereits: Luther blickt vom Pfeiferturm über die Stadt, am Melanchthonhaus erblüht eine Pfingstrose, und am Rathaus erhebt sich ein riesiges Kreuz, um das sich eine Schlange windet. Seither wird Thomas Rebel (57) des Öfteren auf offener Straße angesprochen, auch im Café kann er nicht in Ruhe einen Espresso trinken. Viele sind begeistert von den poppigen Reformationsmotiven, aber es gibt auch kritische Stimmen. Eine Dame meint: „Der Luther ist ja toll, aber muss der so lila sein?“

Ja, er muss. Denn erstens, findet Rebel, verweist Lila auf die Erkennungsfarbe der evangelischen Kirche und zugleich auf liturgische Gewänder katholischer Priester, etwa in der Adventszeit. Und zweitens wollte der Fotograf und Künstler keine verschnarchte Reformationsausstellung machen, sondern frischen Wind, bunte Farben und ungeschminkte Moderne in seine Heimatstadt Bretten bringen. „Bretten kann auch Neuzeit“, dieses Signal will Rebel aussenden. Das Mammutprojekt, an dem er seit drei Jahren arbeitet, heißt „Dialog, Disput, Erneuerung“. Zumindest Dialog und Disput haben sich bereits reichlich entfaltet. Am 29. April wird die Freilichtausstellung offiziell eröffnet, bis zum Reformationstag am 31. Oktober wird sie dauern.

Ungewöhnlich ist nicht nur die moderne Prägung der Bilder. Rebel nutzt als Grundlage normale Fotos, die er am Computer verfremdet, vervielfältigt und übereinanderlegt. Ungewöhnlich ist auch die schiere Größe. Im Brettener Teilort Ruit wird eine hässliche Mauer mit einem 94 Meter langen Banner versehen. In Neibsheim erhält ein Silo der Frankmühle ein 288 Quadratmeter großes Plakat. Ein Brückenpfeiler der ICE-Strecke nach Mannheim bei Bauerbach wird das größte Kunstwerk tragen; es hat allein 605 Quadratmeter. Und auch die evangelische und katholische Kirche machen mit – Philipp Melanchthon etwa, die rechte Hand Luthers, der „Erzieher Deutschlands“ und der größte Sohn Brettens, wird vom Turm der katholischen Kirche über die Stadt schauen; mit seinem Freund Martin am nahen Pfeiferturm könnte er über den Äther ungehindert in einen Dialog treten.

Auch der größte Sohn der Stadt bekommt ein Banner

Spannend ist diese Open-Air-Ausstellung in vielfältiger Weise. Die Stadt Bretten hat viel Geld investiert und hofft auf ein überregionales Interesse – es ist das größte Projekt in diesem für Bretten so ungewöhnlichen Jahr: Man feiert nicht nur Melanchthon und 500 Jahre Reformation, sondern zudem die Ersterwähnung des Ortes vor 1250 Jahren. Der Oberbürgermeister Martin Wolff freut sich auf das Projekt: „Die Provokation ist erwünscht. Alt und Neu, schrille Töne und Fachwerkfassaden prallen hier mit voller Wucht aufeinander. Kein Zweifel: Thomas Rebel zeigt mit seiner XXL-Kunstaktion den inneren Punk in sich“, schreibt er.

Auch für Thomas Rebel ist die Schau ein Höhepunkt in seiner Laufbahn als Künstler. Er hat in Pforzheim Industriedesign und in Karlsruhe Bildhauer und Zeichner gelernt, kam dann zur virtuellen Grafik und zeichnet schon seit Ende der 1980er Jahre, als es noch kaum Software dafür gab, fotorealistische Animationen von noch nicht existierenden Gebäuden. Nach Tschernobyl erhielt die Agentur sogar geheime Aufträge, neue Reaktortypen zu visualisieren. „Pixel schubsen“ nennt er ironisch seine Tätigkeit. Seit fast 20 Jahren ist er nun selbstständig, als Fotograf, Computergrafiker und Künstler.

Das Programm für das Jubiläumsjahr 2017 ist gewaltig

Martin Luther ist aber auch ein finanzielles Risiko, wie Thomas Rebel ganz ungeschminkt zugibt. Denn er hat in den letzten Jahren auf manchen Auftrag verzichtet, um das Projekt zeitlich stemmen zu können, und auch der städtische Etat gehe weitgehend für die Produktionskosten drauf. In der Fußgängerzone wird er deshalb bis zum Jahresende einen kleinen Laden eröffnen, wo er seine Reformationsmotive im Kleinformat anbieten wird. „Wenn das nichts wird, habe ich ein Problem“, sagt Thomas Rebel.

Aber das Projekt konnte er einfach nicht ablehnen. Die Chance, seine geliebte Stadt Bretten, die viele gar nicht kennen oder unterschätzen würden, ins Rampenlicht zu setzen, habe er nicht auslassen können, sagt Thomas Rebel. Und für einen Künstler sei es schlicht ein Ereignis, die ganze Stadt zur Galerie machen zu können: „Ich habe schon immer total verrückte Sachen gemacht“, erläutert Rebel. Weitere Höhepunkte des Jubiläumsjahres in Bretten sind das Festwochenende „Bretten is(s) bunt“ vom 12. bis 15. Mai, das traditionelle Peter-und-Paul-Fest vom 30. Juni bis zum 3. Juli und der „Sommer im Park“ – das sind Musik- und Kulturveranstaltungen im Stadtpark während der Sommerferien.