Gebildbrote und Modelgebäck sind nur ein Aspekt des Themas Trauer. Maike Sander will es den Menschen nahebringen. Foto: factum/Granville

Jeder sollte sich damit beschäftigen – weil es jeden betrifft: Trauer und Tod. „Ewig anders“ heißt das Projekt, das die Künstlerin Maike Sander im Rahmen des regionsweiten Festivals „Drehmoment“ bearbeitet. Öffentlich und mitten im Leben.

Ditzingen - W as hat ein schwäbischer Hefezopf mit dem Tod zu tun? Ganz einfach: Das Gebäck wird hierzulande bei praktisch jeder Trauerfeier gereicht. Was der Hefezopf den Schwaben, ist den Mexikanern das Totenbrot oder ein menschlicher Schädel aus Zucker. Dazu kommen, nicht nur in Deutschland, Kleingebäcke aus Teig, von Hand geformt wie die Seele oder die Brezel, oder auch mit Modeln hergestellt wie Springerle oder Spekulatius. „Gebildbrote“ ist der Sammelbegriff – dies hat Maike Sander in einem Workshop gezeigt. Die Stuttgarterin arbeitet in Ditzingen am Projekt „Drehmoment“ der Kulturregion. Das Thema Tod und Vergänglichkeit beschäftigt sie; in Ditzingen will sie eine Fläche auf dem Friedhof neu gestalten. Die Menschen sind ausdrücklich mit einbezogen. Im Landkreis gibt es weitere Projekte.

Maike Sander, Jahrgang 1967, betrachtet Friedhöfe nicht nur als Bestattungsplatz, sondern als Kulturraum. „Wir sollten den Friedhof als Ort annehmen“, sagt sie – auch wenn es dort kein Grab der eigenen Familie gebe. Viele Friedhöfe seien heute zu groß, weil vor Jahrzehnten geplant und als Fläche vorgehalten. Heute brauche man weniger Platz, weil zwei Drittel der Toten verbrannt werde, das sind sehr viel mehr als früher. Urnengräber aber sind kleiner – und deshalb bleibe Platz übrig. Den könne man gestalten.

Prozess anstoßen

Maike Sander sinniert nicht fernab des Lebens über ihr Projekt – sondern mitten in Ditzingen, in einem ehemaligen Laden in der Marktstraße 24. Die Öffentlichkeit gehöre dazu. „Ich will einen Prozess unter den Bürgern anstoßen und das Thema öffentlich machen“, erklärt Sander. Sie studierte Kommunikationsdesign und beschäftigt sich seit 2002 mit dem Thema Tod und Trauer – aus eigener Betroffenheit. Damals starb ihr Mann durch einen Unfall.

Sie hat für das Projekt drei Orte zur Verfügung: den Ladenraum, den 300 Quadratmeter großen Platz auf dem Friedhof und eine Arbeitsmöglichkeit in der Steinwerkstatt Machmer. Von Anfang an, erzählt Maike Sander, seien sich die Projektbeteiligten einig gewesen: „Ich soll nicht einen Stein basteln, der Moos ansetzt.“

Sie spannt das Thema weiter und hat im Projektraum viele Dinge zum Thema ausgestellt. Zum Beispiel jede Menge Kinderbücher. „Der Tod auf dem Apfelbaum“ heißt eines, „Ente, Tod und Tulpe“ ein anderes, „Warum, lieber Tod?“ ein drittes. Oder Model und Gebildbrote. Oder das Sonderheft zum Thema Tod und Trauer der „Illustrierten Damenzeitung Bazar“, Erscheinungsjahr 1898.

„Eine großartige Gelegenheit“

Ihr Projekt „Ewig anders“ sei „eine großartige Gelegenheit, das Thema mitten in die Stadt und unter die Leute zu bringen“, sagt Maike Sander. Sie bietet Seminare an und geht in Schulen. „Kinder kennen das Thema“, sagt sie, „wir sollten ihnen mehr zutrauen, sie nicht fernhalten, damit sie mehr aushalten können.“ Kinder kämen meist mit dem Tod in Berührung, wenn der Opa sterbe. Die meisten Menschen nähmen den Tod als Krise wahr. „Es ist aber eine große Chance, wenn man das Thema unvoreingenommen und frei von Emotionen betrachten kann.“ Dazu biete sie Hilfe an – aber keine Krisenintervention.

Etwas ganz anderes sei die Gafferei und das Ausleben von Sensationslust an Unfallstellen. „Ich will das nicht verteidigen, es ist extrem, die Leute machen sich einen Sport draus. Aber das ist die moderne Form des wohligen Gruseln.“ Dahinter stecke das Gefühl „ich bin selbst davon gekommen und kann das Leben genießen“. Auch darüber kann man mit Maike Sander reden. Es gehört zum Thema dazu.