"Hommage à Jerôme", Bosch, 1953. Weitere Bilder von Willi Baumeister aus der Ausstellung "Baumeister International" im Kunstmuseum Stuttgart finden Sie in der Bildergalerie. Foto: Kunstmuseum Stuttgart

Willi Baumeister (1889–1955) gehört zu den bedeutendsten Malern der deutschen Nachkriegszeit. Mit seinen Bildern wie auch seinen Schriften spürte er dem „Unbekannten in der Kunst“ nach. Der Schwerpunkt aktueller Forschungen liegt auf Baumeisters internationalen Beziehungen.

Stuttgart - Willi Baumeister (1889–1955) gehört zu den bedeutendsten Malern der deutschen Nachkriegszeit. Mit seinen Bildern wie auch seinen Schriften spürte er dem „Unbekannten in der Kunst“ nach. Der Schwerpunkt aktueller Forschungen liegt auf Baumeisters internationalen Beziehungen.

Die Galerie

Zum siebten Mal kann die Galerie Schlichtenmaier eine Einzelausstellung mit Werken Willi Baumeisters präsentieren. Und die Aufbauarbeit hinter den Kulissen trägt unübersehbar Früchte. Im besten Sinn spektakulär ist allein schon die Phalanx der Arbeiten aus dem Jahr 1942. Baumeister, in Hitler-Deutschland verfemt, arbeitet, durchdrungen von experimentellem Impetus, an einer Vertiefung seiner Bildwelt. So begegnet der „Afrikanische Tanz“ der Leinwand „Afrika II“, einer Art Neuaneignung der 35 Jahre zuvor von den Fauves für die Moderne entdeckten afrikanischen Skulptur, während „Maler und Modell“ in einer Vervielfachung des zweigeteilten Bildraumes bereits eine Ahnung davon vermittelt, wie sehr der deutsche Maler Baumeister Teil der europäischen Avantgarde ist.

Baumeister international also – und eben dies ist, folgerichtig fast, Titel jener umfassenden Bestandsaufnahme zu Baumeisters Netzwerk, die an diesem Freitag im Kunstmuseum Stuttgart eröffnet wird.

Zurück aber in das Jahr 1942 im Baumeister-Panorama bei Schlichtenmaier. „Mit hellen und dunklen Formen“ heißt eine Zeichnung, die – gerade 35 mal 41 Zentimeter messend – allein schon den Ausstellungsbesuch lohnt. Alles geschieht auf diesem Papier, in diesem Papier, auf der Fläche – und doch bewegt man sich zugleich in einem Tiefenraum, aus dem Urformen ebenso erwachsen wie gute Geister der europäischen Moderne.

Und nach der Katastrophe der von Hitler-Deutschland entfesselten Vernichtung von Menschen und Kulturen? Antwortet Baumeister mit dem Gemälde „Flucht der Kontinente“. 1949 ist dies, und wenig deutet darauf hin, dass der Maler noch einmal solch schwebenden Formen vertrauen könnte wie „Horizontal-abstrakt“, mit dem er 1937 noch souverän auf den Wahn der unterstellten und ausgestellten „Entartung“ antwortet. Und doch steht ja der Baumeister der Phantome und der Montarus, der ins Schweben gebrachten Bühnenfigurationen, erst noch aus. Doch ihnen gilt nicht das Schwergewicht dieser Ausstellung. Sie setzt konsequent auf einen rauen Ton und gibt so dem Ausstellungstitel „Die andere Mitte“ zusätzliches und verdientes Gewicht.

Die Stiftung

Wesentlich zur Erforschung des Werkes von Willi Baumeister beigetragen hat in den vergangenen Jahren die Willi-Baumeister-Stiftung. Das Selbstverständnis Willi Baumeisters nimmt die von Jochen Gutbrod gelenkte Stiftung jetzt zum Anlass für ein bisher einmaliges Experiment. „Als Maler und Akademieprofessor setzte sich Baumeister stets für einen offenen künstlerischen Austausch ein“, begründet die Stiftung das Projekt „Willi Baumeister – Schöpfer aus dem Unbekannten“.

Erstmals ist das Internet die primäre Veröffentlichungsplattform, und erstmals auch sind alle Daten hierbei frei zugänglich. So ist „Schöpfer aus dem Unbekannten“, erarbeitet von Brigitte Pedde, über die Zusammenarbeit mit Epubli sehr wohl auch als E-Book und als Druckversion erhältlich. Im Mittelpunkt aber steht die offen zugängliche Internetdatei. „Die Open-Access-Bewegung“, schreibt Jochen Gutbrod in seinem Vorwort, „weist zu Recht darauf hin, dass Kreativität und Innovation nicht vollkommen unabhängig entstehen, sondern stets von anderen Inhalten inspiriert werden. Zahlreiche Spuren solcher Anregungen finden sich auch in Willi Baumeisters Leben und Werk.“ „Schöpfer aus dem Unbekannten“ ist so nicht weniger als eine Werkstatt, ist noch repräsentative Aufarbeitung und schon ein weiterzuentwickelndes Forschungslabor. Erlebbar wird dieser Werkstattcharakter von „Schöpfer aus dem Unbekannten“ hier.

Das Museum

Eng ist das Kunstmuseum Stuttgart mit dem Werk von Willi Baumeister verknüpft. Das Archiv Baumeister – aus dem Hintergrund so umsichtig wie präzise von der Künstlertochter Felicitas Baumeister gelenkt – ist ebenso selbstständiger wie selbstverständlicher Teil des Hauses. So konnte in den vergangenen Jahren ebenso die Brillanz der „Montaru“-Phalanx erlebt werden, wie auch die Forschung zu Baumeisters Lehre an der Stuttgarter Kunstakademie vorangetrieben wurde.

Und nun betritt man wieder Neuland: „Willi Baumeister International“ beleuchtet erstmals in diesem Umfang Baumeisters internationale Beziehungen zu Künstlern, Galeristen und Sammlern.

Erstmals auch erlaubt die Schau Einblick in die Sammlung jener Werke, mit denen Baumeister sich in seinem Atelierhaus in der Gänsheide umgab. Arbeiten von Georges Braque, Marc Chagall, Wassily Kandinsky, Fernand Léger, El Lissitzky, Kasimir Malewitsch, László Moholy-Nagy, Pablo Picasso, Oskar Schlemmer oder Alexej von Jawlensky belegen einen auch in Briefen und Fotos dokumentierten Künstlerdialog.

Eröffnet wird die Ausstellung „Baumeister International“ im Kunstmuseum Stuttgart am Freitag (18. Oktober) um 19 Uhr. Zu sehen ist sie in den Geschossen des Kunstmuseum-Kubus bis zum 2. März 2014.

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