Thomas Grässlin Foto: Promo

Im Literaturhaus Stuttgart diskutieren der Sammler Thomas Grässlin und Stuttgarts Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos über den Kunstmarkt: Manchem im Publikum verläuft die Runde, moderiert von der Rektorin der Kunstakademie Stuttgart, zu harmonisch.

Stuttgart - Zwei Kunstfreunde begegnen sich am Dienstagabend im Literaturhaus Stuttgart: Der Sammler Thomas Grässlin diskutiert mit Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart. Unterschiedliche Blickwinkel auf den Kunstmarkt? Manchem im Publikum verläuft die Runde, moderiert von Petra von Olschowski, Rektorin der Kunstakademie Stuttgart, zu harmonisch.

Bereits der Titel des Abends aber strebt nach Gemeinsamkeit. „Sammler und Stifter als Lebenselixier für Museen?“ lautet die Ausgangsfrage.

Was Sammler und öffentliche Museen trennt, sind zunächst die Voraussetzungen. Der private Sammler kann durch An- und Verkäufe seine Sammlung strategisch erweitern, seinem Geschmack und seinen Intuitionen folgen. Das Museum sollte auf Verkäufe verzichten und ist einem Bildungs- und Dokumentationsauftrag verpflichtet. Ein finanziell enger Spielraum kommt hinzu..

Was Thomas Grässlin und Ulrike Groos eint? Ihre Leidenschaft besonders für die junge Kunst. Bei beiden, dem privaten Sammler und der Museumsdirektorin, hat diese Leidenschaft ihre Wurzel im direkten Kontakt mit den Künstlern selbst.

Grässlin erfuhr diesen Kontakt als Sohn einer Sammlerfamilie schon früh. Ulrike Groos, die über die venezianische Kunst des 16. Jahrhunderts promovierte, kam erst durch ein Projekt mit Nam June Paik in Kontakt mit der Gegenwartskunst. „Für mich“, sagt sie heute, „ist ein Museum nicht nur ein Blick auf das, was da ist, sondern auch ein Blick in die Zukunft.“

Thomas Grässlin konnte als privater Sammler viele Erfahrungen sammeln, auch mit den Moden des Kunstmarktes. Er möchte den Museen die Angst vor Fehlkäufen nehmen: „Ich habe meine Schwierigkeiten mit Sammlungen, die nur aus Spitzen bestehen“, sagt er. „Interessante Sammlungen haben auch Zwischentöne.“ Im Auftrag der Museen, Kunstgeschichte abzubilden, in den Einkäufen für das Depot, die ein Kunstmuseum tätigen muss, sieht er eine Chance – gerade im Hinblick auf Künstler, deren Werk im Laufe der Jahrzehnte Bedeutung einbüßt: „Letzten Endes ist es kunstgeschichtlich aber doch interessant.“

Als privater Sammler macht sich Grässlin für die Museen stark: „Es wäre schlimm, wenn es keine staatlichen Museen mehr gäbe, wir sollten alles dafür tun, sie zu erhalten“, sagt er. Daran, dass es diese Museen auch in 20 Jahren noch geben wird, hat er keinen Zweifel. Aber er fürchtet, dass sie an Bedeutung verlieren könnten.

Ulrike Groos wiederum findet vor allem jene privaten Sammlungen interessant, in denen ein besonderes Interesse, eine eigene Handschrift sichtbar werden. Auf die Unterstützung durch private Sammler greift das Kunstmuseum nicht selten zurück, ein guter Anteil der Otto-Dix-Sammlung des Museums ist beispielsweise in privater Hand – eine Verbindung, die nicht ohne Risiko ist. Besonders wenn es sich beim Leihgeber nicht um einen privaten Kunstsammler handelt, sondern um einen Konzern.

Eine nicht minder schwierige Situation entsteht, wenn ein leidenschaftlicher Kunstsammler verstirbt und Erben über den Verbleib der Leihgaben entscheiden. Der Versuchung, ihren Handlungsspielraum durch Verkäufe zu erweitern, sollten die staatlichen Museen jedoch keinesfalls erliegen, sagt Ulrike Groos: „Wenn wir zu Kunsthändlern werden, verlieren wir das Vertrauen der Künstler.“