Der Schauspieler Sebastian Blomberg führt durch den Kunstkurs Foto: Städel/Screenshot

Der Online-Kurs des Städel-Museums Frankfurt ist das beste Angebot, das es derzeit zur Kunst im Netz gibt. Vierzig Stunden kostenlose und lehrreiche Unterhaltung.

Stuttgart - Eigentlich sollte man darin versiert sein, schließlich sind Augen fast permanent aktiv. Eine kurze Übung genügt, um sich bewusst zu machen, wie oberflächlich man meist schaut. Zwanzig Sekunden hat man beim Online-Kurs des Frankfurter Städel-Museums zur Verfügung, um sich ein Gemälde von Max Ernst einzuprägen. Die Fragen, die folgen, sind nicht schwer. Trotzdem kommt man leicht ins Stocken: Hatte die Figur einen Bart oder nicht? Sind am Himmel Wolken? Gibt es eine Badehose auf dem Bild?

Man kann Kunstwerke als Exempel nehmen für Stile und Epochen. Man kann sich ihnen aber auch spielerisch nähern und sie wie ein Detektiv erforschen. Vor vier Jahren hat das Städel in Frankfurt den Kurs „Kunstgeschichte online“ entwickelt, ein kostenloses Angebot, das bis heute das wohl Besteist, was Museen im Internet zu bieten haben. In fünf Modulen erfährt man allerhand über die Kunst, vor allem hat man aber eine Menge Spaß und Unterhaltung – und lernt nebenbei an die 250 Werke aus der Sammlung kennen.

Kompositionen nachbauen

Während sich in den vergangenen Monaten viele Museumsleute selbst vor die Kamera gestellt haben, um Internetangebote zu produzieren, hat das Städel auf Profis gesetzt und den Schauspieler Sebastian Blomberg engagiert, der als Moderator durch den Kurs führt, hier durch die Räume des Museums schlendert, dort etwas erläutert. Aber das Besondere an „Kunstgeschichte online“ ist, dass es im Grunde weniger um Kunstgeschichte geht, sondern eher darum, Kunst zu verstehen – und sie dazu genauer ins Visier zu nehmen bei unterschiedlichen Aufgaben: Mal werden Werke verglichen und müssen Buchstaben sortiert werden zu passenden Adjektiven wie nah und fern oder abstrakt und figurativ. Dann wieder gilt es, sich die Komposition eines Werkes einzuprägen und die geometrischen Formen hernach aus dem Gedächtnis auf der Fläche zu verteilen. Und schon stellt man wieder fest, wie oberflächlich der eigene Blick ist.

Das Frankfurter Städel-Museum hat den aufwendigen Kurs mit der Leuphana-Universität Lüneburg entwickelt. Er dauert gut vierzig Stunden und bietet Filme, Texte und spielerische Lernformaten – begleitet von Klängen des Berliner Musikers Boys Noize.

Kunsthistorisches Fachwissen ist dabei nicht notwendig, wer sich ein wenig in der Kunst auskennt, hat es leichter. Man kann sich mit den Jahreszahlen befassen, muss es aber nicht. Wichtiger ist, dass die verschiedenen Aufgaben den Blick schärfen – etwa für Lichteffekte oder Linienführungen. Man begreift, warum ein Künstler diese oder jene Komposition gewählt hat oder warum ein kleiner Kreis einem großen Paroli bieten kann. Und wenn auf einem Landschaftsbild mal eben ein paar Baumstämme gerade gerückt werden, erkennt man sofort, dass das dem Bild die Spannung nimmt.

Plötzlich entdeckt man Neues, das man übersehen hatte

So kann man in seiner Freizeit Kreuzworträtsel oder Sudoku lösen, der Online-Kurs des Städels fordert dagegen auf vielfältige Weise und macht Lust, Bilder wie ein Detektiv zu untersuchen. Und hat man sich erst mal ein gutes Stück vorgearbeitet in den fünf Modulen zur Bildanalyse, zu „Entstehungskontexten“ oder Ordnungssystemen, ist man überrascht, wie viel mehr es auf Bildern zu entdecken gibt als das, was man auf den ersten Blick sieht.