Probenszene mit Leo van Kann, Florian Stamm und Benjamin-Lew Klon. Mehr Fotos von der Probe finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Regisseur Peter Eckert probt in der Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst ein Musikal mit Clowns

Ludwigsburg - Einer der OhOhOhs liegt auf dem Boden, Rückenprobleme. So hat der Musiker aber auch den besten Blick auf 75 Quallen, die vom Bühnenhimmel des Theaters der Hochschule für Darstellende Kunst in Ludwigsburg baumeln und im gedimmten Licht violett funkeln.

„Quallen haben ja kein Gehirn, sie reagieren direkt“, sagt der Dramaturg Felix Graf. Die Unmittelbarkeit schätzen er und Regisseur Peter Eckert. Um die Stimmung möglichst wenig zu manipulieren, werden sie das Licht nicht verändern. Musikalisch aber: jede Menge Manipulation. Graf und Eckert stehen bei „Clowns, die nach Sternen greifen“ auf der Bühne, ihre Rockmusik trifft auf Live-Techno der OhOhOhs. Außerdem dabei: drei Clowns.

Zum Aufwärmen hüpfen die Schauspielstudenten auf der Stelle, ziehen sich aus und wieder an, sie tragen silbern glitzernde Latzhosen, an Rücken und Bauch weit ausgeschnitten. Die Kostüme sollen glamourös sein, aber nicht anbiedernd sexy, man macht ja hier ein Musikal, kein Musical.

Die Dekonstruktion leben

Hochschulabsolvent Peter Eckert (31) hat seinen Jacques Derrida gelesen. Die „Differance“, der nur lesbare, nicht hörbare Unterschied macht es eben aus. Und der philosophische Vorteil des Geschriebenen vor dem Gesprochenen ist (bei aller hübschen Paradoxie, da man sich ja im Sprechtheater befindet) auch so gemeint.

Der Buchstabentausch im Titel ist kein Mätzchen. Peter Eckert lebt die Dekonstruktion. Er nimmt sich ein Genre vor, das Musical, zerlegt es und macht etwas anderes daraus. Drei Clowns, gespielt von Benjamin-Lew Klon, Leo van Kann und Florian Stamm, leben in Harmonie, bis ein Stern vom Himmel fällt. Sie erfahren, was Schmerz bedeutet, was Trauer, was Streit. Die Dramaturgie des Musicals wird beibehalten, es gibt ein Ende in Harmonie. Wie brüchig sie ist, wird sich zeigen.

Jetzt erst mal der Anfang. Probenbeginn: Der Regisseur taucht auf, kurz geschorenes Haar, blaues T-Shirt, Strahlelächeln. „Wir machen jetzt erst mal die Hymne.“ Die Musiker spielen laut, rhythmisch, die Schauspieler liegen, krabbeln, robben, hämmern mit Fäustchen, greinen, grinsen. Peter Eckert setzt sich einen Reif mit halben Glitzersternen auf den Kopf, springt auf die kreisrunde Bühne, dirigiert den Schauspielschüler Hadi Khanjanpour. Der geht umher und wiederholt präzise, die Silben betonend, Sätze wie diese: „Wir können das Sterben lernen. Wir werden mehrmals geboren. Jeder Tod ist eine Geburt.“ Die ganz großen Themen mit größtmöglichem Pop-Pathos.

„Überhaupt versuche ich mich möglichst überflüssig zu machen“

Die Schauspieler mögen es. „Wir improvisieren viel“, sagt Benjamin-Lew Klon, „es gibt tolle Texte von Peter und von Theodor Adorno und Gilles Deleuze. Ich habe, und bitte schreiben Sie das!, eine Passage mit Text von der ‚Sesamstraße‘ und von Heiner Müller und darauf bin ich sehr stolz.“ Beste Ironielaune, mit der aber gleich Schluss ist. Die Schauspieler, die auch Instrumente spielen werden, müssen den Musikern zeigen, was sie geübt haben, sollen die Harmonie-Ouvertüre spielen, stellen sich im Kreis auf.

„Das können sie ohne mich“, sagt Peter Eckert. „Überhaupt versuche ich mich möglichst überflüssig zu machen.“ Schauspielern Konzepte aufdrängen, ihnen sagen, wann sie weinen sollen – macht er nicht. Er hadert mit den hierarchischen Strukturen am Stadt- und Staatstheater, diesen „neoliberalen Einrichtungen“. So viele Ängste, Karrieredenken, Statusdenken, Fremdbestimmung. Dass Schauspieler erfahren,was sie zu spielen haben, indem sie es am Besetzungszettel am Schwarzen Brett ablesen, findet er unmöglich.

Viel Dünkel im klassischen Stadttheater

Er weiß, wovon er redet, er hat vor seinem Philosophie- und nun Regiestudium auch am Stadttheater gearbeitet. Seit er elf war, erzählt er bei einem Kaffee, mache er Theater, längst hat er eine freie Gruppe gegründet: Wunschmaschinen.

Es gibt im klassischen Stadttheater wenig Humor, findet Peter Eckert, dafür viel Dünkel. Dass er als Abschlussarbeit ausgerechnet ein Musikal machen kann, empfindet er als ein Geschenk. Und auch, dass er das Stück später auch in Frankfurt zeigen darf.

„Es hat mich anfangs fast verrückt gemacht, dass ich meine Arbeiten nach wochenlanger Vorbereitung nur einmal zeigen konnte. Ich mach’ das doch nicht für mich, sondern für ein Publikum! Ich lerne doch vom Publikum!“, ruft er. Ungeduldiger Ton, Kopfschütteln. Er meint nicht: anbiedern, sondern ob Pointen funktionieren, ob Trauriges so ankommt oder zu heftig und daher zynisch wirkt, welche Szenen verstören, solche Sachen. Nach diesem Freitagabend weiß Peter Eckert darüber mehr, die Premiere seines Musikals beginnt um 20 Uhr.

Weitere Termine am 28., 29., 30. April und 2. Mai. Karten: E-Mail: karten@adk-bw.de, Telefon: 0 71 41 / 3 09 96 21 (Mo–Fr 9 bis 17 Uhr). www.wunschmaschinen.com