Kristian Jarmuschek ist Vorsitzender des Vorstands des Bundesverbandes Deutscher Galerien und KunsthändlerFoto: Jarmuschek + Partner Foto:  

Näher dran am Kunstmarkt: Wie entwickelt er sich? Wo steht er? In einer Interview-Reihe stellen die „Stuttgarter Nachrichten“ unterschiedliche Positionen vor – heute: Kristian Jarmuschek und Birgit Maria Sturm – das Spitzenduo des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler.

Berlin - Kristian Jarmuschek als Vorsitzender des Vorstands und Birgit Maria Sturm als Geschäftsführerin bilden das Spitzenduo des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG). Sie sehen den Kunsthandel im Klammergriff der Finanzpolitik.

Frau Sturm, Herr Jarmuschek, der Kunsthandel hat in den vergangenen Jahren vergeblich gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Kunstgegenstände auf 19 Prozent, gegen das Folgerecht und gegen das Kulturgutschutzgesetz protestiert. Täuscht der Eindruck, dass der richtige Schulterschluss im Kunsthandel fehlt?
Birgit Maria Sturm: Dieser „Eindruck“ wurde von Bundes-Kulturstaatsministerin Monika Grütters in die Welt gesetzt und diente zur Immunisierung gegen Kritik. Das Kulturgutschutzgesetz betrifft Galerien, Kunsthandel, Auktionatoren, die Numismatik und die Sammler. Deshalb haben wir uns in einer Aktionsgemeinschaft verbündet. Nie gab es mehr Einigkeit zwischen den Teilmärkten im Kunstbetrieb.
Eine neue Einigkeit – oder?
Das hätten wir uns bei dem Mehrwertsteuerthema auch gewünscht, aber dieser Kampf wurde vom Bundesverband Deutscher Galerien allein geführt. Unsere Stuttgarter Galerien waren besonders aktiv und konnten den damaligen Finanzminister Nils Schmid von den fatalen Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung überzeugen. Da war Baden-Württemberg vorbildlich – sah sich aber im Verbund der Finanzministerkonferenz isoliert.
Kein gutes Bild hinterließ der Kunsthandel auch beim Thema Restitution, der Identifikation und Rückgabe von Raubkunst aus vormaligem jüdischem Besitz.
Es gibt Kunsthändler, die im Einzelfall mehr Objekte gütlich restituiert haben als so manches Museum. Aber das wird nicht publik, denn hier zählt der Schutz von Privatsphären. Diskretion ist im Kunsthandel ein selbstverständliches Ethos. Fast alles, was mit – amtsdeutsch – „verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ zu tun hat, ist letztlich auf ein großes Politik- und Gesellschafsversagen der Nachkriegsjahrzehnte zurückzuführen. Das hat niemand besser zum Ausdruck gebracht als Bernhard Maaz von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Die Wiederkehr des lange Verdrängten trifft nun nach mehr als 80 Jahren auch den Kunstmarkt, der in Deutschland traditionell Ressentiments ausgesetzt ist.
Nimmt man alles zusammen: Müsste der Kunsthandel nicht stärker als „Phalanx“ auftreten?
Richtig! Schon deshalb, weil der Kunsthandel mit seinen verschiedenen Kompartimenten ein sehr kleiner Markt ist. Der BVDG fusionierte 2007 mit dem Kunstverleger-Verband und wir nehmen seit einigen Jahren auch Händler auf, die mit älterer Kunst arbeiten. Wir wollen keine Abgrenzung, sondern suchen das Verbindende.

Mehr kulturpolitisches Bewusstsein zeigen

Das heißt?
Wir würden uns wünschen, dass bei allen Galerien und Kunsthändlern ein verstärktes kulturpolitisches Bewusstsein einsetzt – auch was ihre besondere Rolle als Unternehmer betrifft. Schließlich gibt es keinen anderen Wirtschaftszweig, der stärker die Idee der Nachhaltigkeit umsetzt. Kunst will und soll die Zeiten überdauern. Der Kunsthandel schützt, forciert und vitalisiert die Kunst – indem er sie in einem Kreislauf erhält. Das ist eine Kulturleistung, die nicht hinreichend gewürdigt wird. Also, wir haben Phalanxbildung auf der Agenda – wenn wir nicht schon mitten drin sin.
Überschätzt werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht?
Nein. Folgerechte, Künstlersozialabgabe, asymmetrische Umsatzbesteuerung, Urheberrechte und nun die grotesken Untiefen des Kulturgutschutzgesetzes mit unerfüllbaren Normen: Unser Markt wird von Restriktionen, Bürokratie und Sonderabgaben regelrecht stranguliert. Chapeau vor jedem Kunsthändler, der dem standhält. Wir existieren trotz aller Widrigkeiten aus eigener, unsubventionierter Kraft – im Gegensatz etwa zur Filmwirtschaft.
Was kritisieren Sie konkret?
Die Politik und ihre Institutionen haben das Potential des Kunstmarktes nie erkannt und nie gefördert. Das schlägt jetzt als Retourkutsche zurück: Scharen prekärer Künstlerexistenzen fordern ihren Tribut. Weil sich der Markt nicht wirklich entfalten konnte, können nur wenige Künstler darin Fuß fassen. Und nun fordern deren Verbände eine gesetzliche Vergütungsregelung für Ausstellungen in öffentlichen Institutionen – die dafür kein Geld haben. Das passt nicht.