Ort der Erinnerung: An der Anlegestelle, von der aus die Jugendlichen übergesetzt hatten, wird die Gedenkstätte eingeweiht. Foto: dpa/Lise Åserud

Die Kunstgießerei Strassacker in Süßen hat das Denkmal geschaffen, das an die jugendlichen Terroropfer auf der Insel Utøya erinnert. Das Mahnmal wurde am vergangenen Wochenende eingeweiht.

Vor elf Jahren geschah das Entsetzliche, das Unfassbare: Ein Rechtsextremist ermordete in Norwegen 77 überwiegend junge Menschen. Am 22. Juli 2011 zündete der Attentäter zuerst eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo und tötete so acht Menschen, wenig später erschoss er auf der Insel Utøya weitere 69 Menschen – sie waren Teilnehmer eines Jugendcamps. Das Morden dauerte über eine Stunde. Der Täter wurde zu jahrzehntelanger Haft verurteilt, doch der Anschlag hat Norwegen tief traumatisiert.

 

An diesem Wochenende wurde am Ufer des Tyrifjorden an der Anlegestelle, von der aus die Jugendlichen zur Insel Utøya übergesetzt hatten, die Gedenkstätte eingeweiht, um die in dem skandinavischen Land so lange gerungen worden war. Gestaltet wurde sie von der Kunstgießerei Strassacker in Süßen. An der Eröffnung in kleinem Kreis nahmen Angehörige der Opfer, Politiker sowie Vertreter der norwegischen Königsfamilie teil. Es herrschte die höchste Sicherheitsstufe.

Firmenchefin reist nach Utøya

Am Nachmittag war auch Edith Strassacker vor Ort. Die Firmenchefin ist tief berührt über den Auftrag für ihr Unternehmen, der das Ergebnis einer europaweiten Ausschreibung war. „Alle Beteiligten sind stolz darauf, an dem Projekt mitgewirkt zu haben. Wir hoffen, dass das Denkmal den Angehörigen Trost spendet und zu einem Platz wird, an dem sie sich immer wieder treffen können.“

Das traditionsreiche Süßener Unternehmen fertigte und montierte die 77 massiv gegossenen und jeweils drei Meter hohen Bronzestelen, die an jedes einzelne Opfer erinnern. Die Säulen sind am oberen Ende mit einem durchgehenden massiven Bronzeband zu einem starken Konstrukt von etwa 50 Meter Gesamtlänge verbunden. Jede der Säulen wiegt etwa 400 Kilogramm.

Eine inhaltlich hochemotionale Arbeit

„Die technologischen Herausforderungen haben das Projekt zu einem Meilenstein in unserer über 100-jährigen Unternehmensgeschichte gemacht“, sagt Edith Strassacker. Es sei „künstlerisch und technisch anspruchsvoll“ gewesen, das vom norwegischen Architekturbüro Manthey-Kula in Zusammenarbeit mit dem belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets konzipierte Mahnmal umzusetzen. Zudem sei die Arbeit „inhaltlich hochemotional“ gewesen.

Strassacker hatte bei der Ausschreibung unter anderem den Zuschlag erhalten, weil die Firma weltweit bekannt ist für ihre besondere Expertise für sakrale Kunst im Bronzeguss und sich auch in Norwegen bereits einen Namen gemacht hatte. Die Mitwirkung an dem Mahnmal für die 77 Terroropfer sei daher auch „von besonderer ideeller Bedeutung für das Unternehmen“, unterstreicht Edith Strassacker.

Für die Gedenkstätte wurde am täglich genutzten Anlegesteg ein weiträumiger Platz geschaffen, der zwar verkehrstechnisch leicht zu erreichen, gleichzeitig aber abgelegen genug ist, „um einen beschützten Raum für eine würdevolle Erinnerung zu schaffen“, betont die Kunstgießerei in einer Mitteilung.

Jahrelanger Streit um das Mahnmal

Die Geometrie der Gedenkstätte, in der alle Namen der Opfer aufgelistet sind, bezieht sich in ihrer Ausrichtung auf die Sonne auf den zeitlichen Verlauf des Terroranschlags vom 22. Juli 2011: Der erste Bogen ist auf den Sonnenstand zu der Uhrzeit der Bombenexplosion in Oslo um 15.25 Uhr ausgerichtet. Der zweite Teil zeigt auf die Position der Sonne während des Attentats auf der Insel zwischen 17.21 und 18.33 Uhr.

Über die Idee eines Mahnmals war in Norwegen mehrere Jahre nachgedacht und auch gestritten worden. Es gab die Furcht vor „Betroffenheitstourismus“ und vor einer „Re-Traumatisierung“, es gab aber auch die Sorge, ein solches Denkmal könnte durch Rechtsextremisten missbraucht werden. Anwohner einer nahe gelegenen Halbinsel nördlich von Utøya hatten zum Beispiel eine Gedenkstätte verhindert, die bereits 2015 hätte fertiggestellt werden sollen. Im September 2020 hatten dann Kritiker einen Stopp für das Aufstellen der 77 Bronzestelen am Fährkai von Utøya durchgesetzt. Erst im Februar entschied ein Gericht, dass das Denkmal gebaut werden darf – nicht auf der Insel, sondern am Anleger gegenüber. Die Kosten für das gesamte Projekt werden auf etwa 50 Millionen Euro geschätzt.

Grundlagenforschung zum Thema Trauerbewältigung

Historie
 Die Kunstgießerei Strassacker feierte im Oktober 2019 ihr 100-jähriges Bestehen. Der Familienbetrieb ist eine der führenden Manufakturen im Bereich Kunstguss. Im vergangenen Jahrzehnt sorgte ein Großauftrag für eine Moschee in Saudi Arabien für größeres Aufsehen.

Geschäftsfeld
Schwerpunkt ist die sakrale Kunst. Ein zweiter Bereich widmet sich Auftragsarbeiten für Künstler aus aller Welt. Strassacker betreibt auch Grundlagenforschung zur Bedeutung des Beisetzungsorts für die Trauerbewältigung und ist maßgeblicher Träger der Initiative Raum für Trauer. Das international tätige Unternehmen beschäftigt rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.