Direktoren des Württembergischen Kunstvereins: Iris Dressler und Hans D. Christ Foto: Max Kovalenko

Im Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart beginnt die Sanierung des Altbaus. Zu früh finden die Kunstvereinsdirektoren Iris Dressler und Hans D. Christ. Ihr Ziel: eine offene Bühne kultureller Bildung.

StuttgartIm Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart beginnt die Sanierung des Altbaus. Zu früh finden die Kunstvereinsdirektoren Iris Dressler und Hans D. Christ. Ihr Ziel: eine offene Bühne kultureller Bildung. -

Worum geht es?

Das Kunstgebäude am Stuttgarter Schlossplatz ist seit Jahrzehnten Beispielbühne für die Kooperation mit anderen Kultureinrichtungen in der Stadt. Wie einst unter der Regie von Tilman Osterwold prägen Iris Dressler und Hans D. Christ als amtierende Direktoren des Württembergischen Kunstvereins das Selbstverständnis eines offenen Hauses mit spartenübergreifenden Projekten. -

Und aus ihrer Arbeit vor Ort wie aus ihrem internationalen kuratorischen Wirken heraus haben Dressler und Christ ein Modell geschaffen – eine Bildungseinrichtung im Start-up-Modus. Dabei werden die (Themen-)Ausstellungen im Vierecksaal zum Impuls der Nutzung der weiteren Räume – von Lesungen und Performances bis hin zu Seminaren der Universität Stuttgart.

Kunstgebäude wird umfassend saniert

Der Haken: Der gerade intensiv genutzte Altbau mit dem Kuppelsaal als Herzstück wird umfangreich saniert und wird für die Nutzung als Empfangs- und Präsentationsraum der Landesregierung hergerichtet. Dies wiederum, da in dieser Zeit der Mitteltrakt des Neuen Schlosses saniert und umgebaut werden soll. Im Kunstgebäude haben die Arbeiten inzwischen begonnen – die Bildungsbühne könnte so auch nach Ende der aktuellen Sperrung wegen der Corona-Pandemie nicht wieder öffnen.

Die Standpunkte

Aus Sicht von Iris Dressler und Hans D. Christ ist der Sanierungsbeginn im Kunstgebäude-Altbau in der aktuellen Situation ein Fehler. Zudem sehen sie eine für sie kritikwürdige Haltung bestätigt: „Die derzeitige Schließung von Museen, Kunstvereinen, Theatern, Konzertsälen und Opernhäusern als im Zweifelsfall verzichtbare Orte des sozialen Austauschs“, sagen die Kunstvereinsdirektoren, „zeigt erneut, dass diese Institutionen auf politischer Ebene noch immer nicht als Bildungseinrichtungen verstanden werden.“ Dressler und Christ argumentieren grundsätzlich: „Die Öffnung dieser Häuser im Sinne der Koexistenz mit anderen Bereichen des öffentlichen Lebens ist nicht nur Voraussetzung für die derzeit gebotene Solidarität, sondern birgt auch neue ungeahnte Formen des Austauschs zwischen sozial diversen Gruppen.“

Beispiel Kunstgebäude

Seit 1. Juli firmiert das Kunstgebäude Stuttgart als „Open House“. Unterstützt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, hat sich dabei der hoch aufragende und ständig mit Frischluft versorgte Kuppelsaal als Idealbühne eines Aufführens, Lernens und Erlebens unter Pandemiebedingungen etabliert. Das Modell ist bis zum 31. Dezember beschränkt, seit 1. November ist das Kunstgebäude geschlossen.

Die Idee

Inzwischen haben die Vorbereitungen für die Sanierung begonnen – Iris Dressler und Hans D. Christ haben ihre Büros bereits geräumt. Und doch lassen sie nicht locker. „Open House“ soll weitergehen. „Wir schlagen vor“, sagen sie, „auf der Basis eines breiten institutionellen Netzwerks neue Formen lokaler und regionaler Koexistenzen, des Teilens von Raum und Infrastrukturen zu entwickeln: auch, aber nicht nur im Hinblick auf Schulen.“ Und sie sind überzeugt: „Der Altbau des Stuttgarter Kunstgebäudes mit seinem großzügigen, pandemietauglichen Raumangebot könnte und sollte dabei eine wichtige Plattform sein.“

Die Nutzer

An „Open House“ waren ganz unterschiedliche Nutzergruppen beteiligt. Die Kunstakademie, die Neue-Musik-Initiative Suono Mobile, jeweils Seminare der Universität Stuttgart und der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, der Verein Die Anstifter, das Kulturamt der Stadt Stuttgart oder die Musikhochschule Stuttgart.

Die Verbindung

„Actually, the Dead are not dead. Una forma de ser“ heißt die Corona-bedingt geschlossene Themenausstellung des Württembergischen Kunstvereins. Die Schau im Vierecksaal zeigt sich bewusst als offenes Archiv künstlerischer, gesellschaftlicher und politischer Äußerungen. Mit einem Schwerpunkt auf dem Zusammenhang von Flamenco und Roma-Identität sind Anknüpfungswege in die Freie Tanzszene und in die Sozialwissenschaften sowie in urbane Strukturen und Städtebau gelegt.

Die Reaktion der Politik

Drei Ministerien sind mit dem Thema Kunstgebäude verbunden: das Finanzministerium (als Eigentümerin) mit Vermögen und Bau als aktivem Arm der Sanierung, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) für die konzeptionelle Ausrichtung und Ansprechpartner des finanziell auch von der Stadt getragenen Württembergischen Kunstvereins sowie das Staatsministerium (Planungen für das Interim der Landesregierung während der Sanierung des Mitteltrakts des Neuen Schlosses). Das Finanzministerium lässt nun wissen: „Die Planungen und Arbeiten zur Sanierung des Altbaus des Kunstgebäudes in Stuttgart für eine künftige multifunktionale kulturelle Nutzung laufen. Verschiebungen sind nicht vorgesehen.“ Und betont: „Ab Anfang 2021 wird das Gebäude unter anderem für den Teilbetrieb durch den Württembergischen Kunstverein vorbereitet. Denn während der Bauphase stehen ihm die aktuellen Mietflächen im Verbindungsbau und im Vierecksaal weiterhin für Ausstellungen und Veranstaltungen zur Verfügung.“

„Klar kommuniziert“

Und eine Sprecherin des MWK ergänzt: „Es wurde den Beteiligten immer klar kommuniziert, dass eine Bespielung des Altbaus bis einschließlich 31. Oktober 2020 möglich ist. Das MWK hat dem Württembergischen Kunstverein die Sommerbespielung des Altbaus mit einer institutionellen Sonderförderung bis zu diesem Zeitpunkt ermöglicht. “