Kostbarkeit: Luthers Reiselöffel Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bei einer Ausstellung im Kunstgebäude zieht eine Hinterlassenschaft des Reformators Martin Luther die Menschen an – und stellt dessen Ansichten auf den Kopf.

Stuttgart - Das Göttliche ist immer beides zugleich: anziehend und abschreckend. Theologen haben daher den Begriff Mysterium tremendum geprägt. Es geht um das Geheimnis, das Zittern und Furcht auslöst. Reliquien von Heiligen bergen so ein Geheimnis. Daher werden solche immer wieder zur Schau gestellt. Doch der große Reformator Martin Luther sah das sehr kritisch. Für ihn war klar: Alleine das Anschauen der Reliquien wird die Strafe für die Sünden nicht verkürzen. Und nun passiert mitten in Stuttgart genau das: Ausgerechnet ein Gegenstand aus Luthers Besitz wird nun zur Reliquie. Seit Dienstag ist in der Ausstellung „Freiheit – Wahrheit – Evangelium. Reformation in Württemberg“ Luthers klappbarer Reiselöffel zu sehen. „Viele Gruppen haben sich extra wegen des Löffels angemeldet“, sagt Peter Rückert, Kurator der Ausstellung im Kunstgebäude, die noch bis zum 19. Januar zu sehen ist. Es finde „eine Art Verehrung“ statt.“

Magie gegen Giftanschläge

Sei’s drum, dem Ausstellungsveranstalter kann dieser Widerspruch nur recht sein – er macht neugierig auf dieses Exponat. Mehr noch: Die Geschichte hinter der Geschichte ist spannend. Dabei geht es weniger um die eingravierte Kreuzigungsszene. Auch die Bibelsprüche und Gravuren in Latein, Griechisch und Hebräisch sind nichts Außergewöhnliches. Aber das eingefasste Hornplättchen und eine Tierfratze über der Laffe passen nicht so recht ins Weltbild von Martin Luther. Denn beide sollen übernatürliche Wirkungen haben. Während das Hornplättchen Gift im Essen anzeigen sollte – Luther überlebte drei Giftanschläge –, sollte das Tiersymbol Gefahren aller Art abwehren. Wenn man so will: purer Aberglaube. Für Kenner ist der Löffel aus vergoldetem Silber mit der Gravur der Kreuzigungsszene von unschätzbarem Wert. „Wir haben den Löffel mit einer sechsstelligen Summe versichert“, sagt Peter Rückert.

Freiheit – Wahrheit – Evangelium. Reformation in Württemberg. Ausstellung im Kunstgebäude bis 19. Januar 2018. Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 11–18 Uhr, Mittwoch 11–20 Uhr. Eintritt 8 Euro (ermäßigt 5 Euro).