Steine für alle Lebenslagen gibt es derzeit auf dem Friedhof in Waiblingen. Foto: Stoppel

Der „Waiblinger Ideentausch“ hat mal wieder etwas ausgeheckt: Auf dem Friedhof in der Kernstadt lädt ein Tischchen mit schön beschrifteten Steinen die Passanten zum Zugreifen ein.

Waiblingen - Au ja, den nehme ich mit“, sagt die ältere Frau und greift sich einen flachen, grauen Stein vom Tischchen, das Silke Goll und Andrea Ertz eben im Eingangsbereich des Waiblinger Friedhofs aufgestellt haben. „Trost“ steht in goldfarbenen Buchstaben darauf. Den zweiten Trost-Stein daneben – schwarz, rund, und mit silberfarbener Aufschrift – lässt sie links liegen: „Der ist mir zu dunkel.“ Dann geht die Besucherin mit ihrem Stein zufrieden durch den Torbogen hinaus. „Ich sag’s auch meiner Nachbarin“, sagt sie.

Genau so haben Andrea Ertz und Silke Goll sich das vorgestellt. Unter dem Namen „Waiblinger Ideentausch“ organisieren die beiden Waiblingerinnen regelmäßig ungewöhnliche interaktive Aktionen in ihrer Heimatstadt: mal erklären sie einen Baum im Stadtpark zum Frühlingsbaum und animieren dazu, diesen mit Gedichten zu schmücken, mal fordern sie angesichts eines leeren Ladens Passanten auf, per Zettel am Schaufenster zu verraten, welches Geschäft in der Fußgängerzone fehlt. Oder sie bauen, so wie in diesem Sommer, Szenen mit winzigen Eisenbahnfiguren in der Altstadt auf und laden zu einer Schnitzeljagd der etwas anderen Art ein, bei der die Teilnehmer ihre vermeintlich altbekannte Stadt plötzlich mit anderen Augen sehen.

Jüdischer Brauch als Inspiration

Der jüdische Brauch, beim Besuch eines Grabes einen Stein abzulegen, hat die Frauen vom „Ideentausch“ zu ihrem aktuellen Projekt inspiriert. Auf dem Friedhof haben sie einen Servierwagen aufgestellt und ihn mit Dutzenden von Steinen bestückt: runde, schwarze Flusskiesel, kantige Schieferstücke, weiße Kiesel, die an Gänseeier erinnern, und farbige Glassteine. Alle stammen aus einem Remsecker Kieswerk. „Wir haben 24 Kilo Steine mitgebracht“, sagt Silke Goll und lacht. Die wurden erst gewaschen, dann beschriftet. „Neuanfang“ steht auf manchen, auf anderen „Dankbarkeit“, „Gelassenheit“, „Stille“, „Kraft“ oder „Loslassen“. „Wir haben lange überlegt, welche Schrift und welcher Begriff zu welchem Stein passt“, erzählt Andrea Ertz. Nun haben die Passanten die Qual der Wahl, wenn sie der Aufforderung folgen, die auf einem kindskopfgroßen Steinklotz neben dem Tischchen steht: „Such dir einen aus – für’s Grab, für zu Hause oder als Geschenk“.