Der Campus der Kunstakademie am Weißenhof. (Archivbild) Foto: /Lichtgut/Achim Zweygarth

In einem offenen Brief wird unter anderem die zunehmende Bürokratisierung und fehlende digitale Infrastruktur kritisiert. Rektorin Barbara Bader zeigt Verständnis, nennt einige Vorwürfe jedoch „diffus“.

Stuttgart - Studierende der Akademie der Bildenden Küste (ABK) haben in einem offenen Brief die Leitung sowie Verwaltung der Hochschule auf dem Killesberg kritisiert. Das Schreiben nennt eine Reihe von angeblichen Missständen und beanstandet unter anderem eine „fortschreitende Verbotskultur“, die sich beispielsweise in dem eingeschränkten Zugang zu den Ateliers zeigt. Für den Zustand der teilweise überholten Infrastruktur am Campus Weißenhof nehmen die Verfasser das Land in die Verantwortung.

Rektorin Barbara Bader zeigt sich überrascht von dem Tonfall des Briefs. Sie lobt das Engagement der Studierenden für die ABK, spricht mit Blick auf den Rundumschlag jedoch von einer „unerwarteten Eskalation“. Wie aus dem Schreiben hervorgeht, nehmen einige Studierende indes einen strukturellen Mentalitätswandel wahr, der sich in den vergangenen zwei Jahren vollzogen hätte.

Fundamentalkritik aus dem Kollektiv

Bader bedauert, dass vorher nicht schon im Dialog über die Kritikpunkte und gemeinsame Lösungen gesprochen wurde. Von den Initiatoren heißt es, man hätte sich bewusst dagegen entschieden, einen offiziellen Weg über die Studierendenschaft zu gehen. „Wir wollen das Ungleichgewicht vermeiden, wenn in einem Gremium ein studentischer Vertreter einer Schar von Professoren und Verwaltungsangestellten gegenübersitzt“, sagt Theo Dietz, einer der Mitverfasser des Briefs.

Der Student ist Teil des unabhängigen Kollektivs, das die Idee zu dem öffentlichen Brief auf den Weg brachte. Am Montag übergab ihn eine achtköpfige Gruppe der Akademieleitung. Die Entstehung des Briefs versuchten die Initiatoren so demokratisch wie möglich zu gestalten. Kommilitoninnen und Kommilitonen wurden gebeten, gemeinsam an einem offenen Online-Dokument mitzuarbeiten, sodass schlussendlich dutzende Studierende an dem Text mitwirkten, teilweise anonym. Das Ergebnis ist eine scharfe Fundamentalkritik, deren Punkte „nicht alle auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft wurden“, so Bader.

Rektorin nennt Vorwürfe teils „diffus“

Die Rektorin empfindet einige der Vorwürfe der Studierenden als „diffus“ und möchte auf eine Klärung hinarbeiten. Im Netz unterzeichneten bislang rund 330 Unterstützende das Schreiben. Darin wird von „auseinander klaffenden Lebensrealitäten“ zwischen Verwaltung und Studierenden gesprochen.

Juliane Gebhardt, Kunststudentin und ebenfalls Mitinitiatorin des Schreibens, sagt:„Die Akademie wird hinsichtlich ihrer Bürokratisierung immer mehr anderen Hochschule angeglichen, anstatt den nötigen Freiraum zu bieten:“ Einige der 900 Studierenden fühlen sich durch immer vehementer durchgesetzte Regeln in der Freiheit ihrer künstlerischen Arbeit eingeschränkt. Schon lange fordern die Studierenden beispielsweise eine durchgehende 24-Stunden-Öffnung der Arbeitsräume, wie sie an vielen Kunsthochschulen gang und gäbe ist.

„Wir sind der Meinung, künstlerisches Arbeiten hält sich nicht an Öffnungszeiten“, sagt Dietz, der seit sechs Jahren Kunst an der ABK studiert. Auch die Leitung der Akademie unterstütze die schon lange im Raum stehende Forderung, betont Bader. Man sei aber nur Nutzer der Gebäude und habe deswegen bedingt Einfluss darauf, dass die dafür notwendigen Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt würden. Die Rektorin sagt: „Wir versuchen natürlich stetig die wachsenden Vorgaben so gut es geht an die besondere Realität einer Kunsthochschule anzupassen.“

Unmut über Corona-Beschränkungen

Dass die Studierenden während der Corona-Pandemie nicht wie sonst in den Räumen arbeiten konnten, verschärfte bei vielen offenbar den Missmut. In dem Brief wird auf die vorgehaltene Starrheit der Verwaltung hingewiesen, die bis zur Öffnung der Akademie am 1. Juli den Zugang zu den Ateliers nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubte – obwohl die Einhaltung der bis dato bestehenden Abstandsregelungen laut den Studierenden möglich gewesen wäre. Für die Verfasser des Briefs ein weiterer Beleg für eine etablierte „Kultur der Abspeisung“. Sogar von Schweißnähten und Schrauben an Fenstern, die „gegen die Studierenden angebracht wurden“ ist in dem Schreiben die Rede.

Darauf angesprochen, berichtet die Rektorin, dass Studierende während der Corona-Schließung vereinzelt unerlaubt in ein Gebäude eingedrungen wären und dort teilweise übernachtet hätten. Im Rahmen, der zu dem Zeitpunkt geltenden Landesverordnung zur Pandemiebekämpfung, sah sich die Akademie nach mehreren Aufforderungen gezwungen, das betroffene Fenster einbruchssicher zu machen.

Unterfinanzierung ist Konsens

Weitere Kritikpunkte des Briefs nehmen das Kultus- und Bildungsministerium des Landes in die Pflicht. Denn: Über die Unterfinanzierung der über 250 Jahre alten Kunsthochschule herrscht Konsens zwischen Studierenden und Akademieleitung. In manchen Bereichen der Akademie gebe es kein funktionierendes Internet, Server seien veraltet und Gebäude sanierbedürftig, berichten die Studierenden.

„Wir haben ein IT-Problem“, gibt Bader zu und verweist auf den Anfang des Jahres beschlossenen Hochschulfinanzierungsvereinbarung, die 2021 in Kraft tritt. Dadurch könne beispielsweise die erforderliche überfällige personelle Verstärkung des Rechenzentrums realisiert werden. Auch ein Neubau für „technologisch anspruchsvolle Infrastrukturen“ werde derzeit geprüft.

Die Studentin Gebhardt hebt hervor: „Wir wollen nicht noch mehr Konflikt und Frust auslösen, sondern streben eine konstruktive Lösung zusammen mit der Akademie an.“ Einige Professoren und Werkstattleiter hätten den Studierenden bereits ihre Unterstützung signalisiert. Der Brief sei auch als gemeinsames Druckmittel von Akademie und Studierenden beim Land gedacht, unterstreicht Dietz. Nächste Woche trifft sich die Gruppe zum ersten Austausch mit der Akademieleitung. Gesprächsstoff gibt es scheinbar genug.