Foto: Martin Lutz

Gesamtausstellung der Studierenden der Stuttgarter Kunstakademie überzeugt im Wilhelmspalais.

Stuttgart - Hier und da gilt schon das Wort an sich als Qualitätsausweis: "Zwischennutzung". Was tatsächlich möglich ist, zeigt bis einschließlich diesen Samstag unter dem Titel "Show Me Your's - I Show You mine" die Gesamtausstellung der Stuttgarter Kunstakademie in der vormaligen Stadtbücherei.

Es gibt viel zu feiern auf dem Weißenhof. 250 Jahre Kunstakademie Stuttgart wollten in den vergangenen Monaten dokumentiert, bestaunt, diskutiert und beklatscht werden. Mit das Beste haben sich die Jubiläumsorganisatoren für den Schluss aufgehoben - die diesjährige Gesamtausstellung der Studierenden. Immer ist diese Schau auf eilig nutzbar gemachte Räume angewiesen, die ihren eigentlichen Zweck verloren haben. Produktions- und Lagerhallen oder Büroetagen zumeist. Und immer lauert die zweifache Gefahr - zu vieles zu versammeln, das sich in zu Ungefährem verliert.

Dieser Tage und noch bis einschließlich diesen Samstag wagt die Akademie wieder ein Gesamtausstellungs-Gastspiel - und gewinnt. Die ehemalige Stadtbücherei am Charlottenplatz ist Bühne des Panoramas aus 133 Werken von ebenso viel Studierenden. Ein 16-köpfiges Team zeichnet für die Schau verantwortlich, und schon im Eingangsbereich wird der Projekttitel "Show Me Your's - I Show You Mine" konkretisiert. Eine TV-Bildschirm-Reihe zeigt, was andere Orte der Kunst in Stuttgart gerade machen, an was wer in der Akademie Solitude, im Württembergischen Kunstverein, in der Kunststiftung Baden-Württemberg, aber auch in Projekträumen wie Hermes und der Pfau oder Self Service Open Art Space gerade arbeitet. Souverän in seiner unaufgesetzten Selbstverständlichkeit schon dieser Auftakt.

Was aber ist das eigentlich - Kunst?

Die Treppen hinauf geht es in den ersten Stock. Weit öffnet sich der ehemalige Lesesaal, der schwarze Boden ist mit Spanplatten belegt und so als Bühne kenntlich gemacht. Ausschließlich auf dieser sind die 133 Werke zu finden, und der vermeintliche Nachteil, aus Denkmalschutzgründen nicht an die Wände zu dürfen, ist in einen Coup im besten Sinn verwandelt. Die erzwungene Aufsicht-Ansicht schadet auch den Zeichnungen und Bildern nicht, und mit Daliah Appelbaums Schnittbild-Doppel "Tea Bag Box Cu Out" ist es gerade ein leises Werk, das Akzente setzt. Überzeugend auch die Fotoserie "Indian Stills" von Saskia Groneberg und die zu Farblandschaften mutierenden fotografischen Wasserflächen von Katarzyna Bojanowska.

Wie überblickt man aber, was auf dem Boden liegt? Felicia Michael und Eva Weiskopf, Architektur-Studierende auf dem Weißenhof und nun wesentlich für die Realisierung von "Show Me Yours, I Show You Mine" verantwortlich, setzen auf ein eigens entwickeltes Mobiliar. Abgeschrägte Hocker erzwingen Konzentration auf das Kunst-Gegenüber, und ein Blick von einem Hochstand/Hochsitz aus lässt schließlich gar das Vielfache im Raum als ein Ganzes wahrnehmen. David Lehmanns Silikonvasen unterlaufen die stofflichen Erwartungen an eine bekannte Form ebenso wie Jessica Mayers Stofftiere, die sich als "Birds and Beasts" in abgründiger Gemütlichkeitsrunde treffen.

Was aber ist das eigentlich - Kunst? Emma Neufeld gibt in ihrer Videoarbeit "Eine Kunstbetrachtung" eine so eigenwillige wie überraschende Antwort. Das Wort "Kunst" ist wohl hin und wieder zu hören in einem Vortrag, sonst aber ist aller Text ausgeblendet. Nur das Atemholen bleibt - und gibt Antwort.

Über zwei Stockwerke erstreckt sich diese Gesamtausstellung, und vor allem im ersten Obergeschoss erweist sich das Wilhelmspalais als Idealbühne. Ohne alle Zwischenwände gewinnt der Raum seine Ausgangsqualität zurück, insbesondere seinen Doppelbezug der Öffnung nach außen und innen - mit breiter Glasfront hin zur Urbanstraße einerseits und Durchsichten zum Foyer andererseits. Ungeplant, aber zu einem perfekten (weil frühen) Zeitpunkt, macht diese Schau so auf örtliche Qualitäten aufmerksam, die in der Entwicklung der geplanten künftigen Nutzung als Stadtmuseum berücksichtigt werden könnten und sollten.

Wer kommt aus welcher Fachrichtung? Das fragt man gerne an einer Kunsthochschule, die in Architektur, Produkt- und Kommunikationsdesign oder Bühnenbild besondere Qualitäten aufweist. "Show Me Your's - I Show You Mine" verneint die Grenzziehung. Nicht im aufgesetzten Ton falscher Lässigkeit, sondern im spürbaren Respekt vor jedem einzelnen Werk. So darf die von Philip Andris und Sebastian Schrof konzipierte "Klangwelle" als Raumskulptur hervortreten. Und auch das Ensemble "Safe Playground" von Charlie Stein darf sich mit einer Schaukel, die am Boden ruht, einiger Aufmerksamkeit sicher sein. Dies aber umso mehr, als das Spiel ja tatsächlich stattfindet, wenn Anna Grohmert in ihrem Video "In der weißen Zelle" die Kunstaktion darauf beschränkt, einen Drehstuhl und damit sich selbst in Bewegung zu halten. Und, versorgt mit einem beispielhaften Informationsblatt, findet man schließlich auch heraus, wie es ist, eine Kunstausstellung nicht aus der Auf-, sondern aus der Untersicht zu erleben. "My Dog Smells Like Art" lässt uns Marco Schmitt in seiner Videoarbeit wissen.

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