Wolfgang Neumann bei der Arbeit in seinem Atelier in Bittenfeld Foto: Gottfried Stoppel

Acrylfarben statt Arznei: In einer ehemaligen Apotheke in Bittenfeld hat der Waiblinger Wolfgang Neumann eine kreativen Ort für sich und andere geschaffen. Dort schiebt er so manche Nachtschicht.

Als die einzige Apotheke in Waiblingen-Bittenfeld im Herbst 2022 für immer ihre Tür geschlossen hat, war das bitter für die Einwohner der Ortschaft, aber ein Glücksfall für Wolfgang Neumann. Denn der 47-Jährige suchte schon seit längerer Zeit einen Platz, an dem er ungestört kreativ sein, Kunstwerke aufbewahren und Arbeiten befreundeter Kunstschaffender ausstellen kann. Dann ist er in der Schillerstraße 58 fündig geworden – in den leer stehenden Räumen der Apotheke Friedrich.

 

„Die ganze Einrichtung war noch drin“, erzählt Wolfgang Neumann und führt in die Küche, die mal das Labor war. In einem Vitrinenschrank stehen einige Glaskolben und Reagenzgläser. Das Regal, in dem die typischen Apothekerflaschen aufbewahrt wurden, dient nun als Aufbewahrungsort für Trinkgläser. Und in einer Schublade, die Wolfgang Neumann öffnet, ist ein gewaltiges Laborthermometer aus Glas zurückgeblieben.

Kulturevents mit Saloncharakter

Dort, wo einst Kopfschmerztabletten, Fieberzäpfchen und Hustensaft über den Tresen gingen, hat Wolfgang Neumann Platz für kleine Ausstellungen geschaffen. Die „Bildzentrale“ nutzt er als Treffpunkt für Events mit Saloncharakter. „Ich kann hier kleine, feine Projekte machen“, sagt Wolfgang Neumann, der im Showroom schon mit seiner Band „Aus dem Staub“ aufgetreten ist. Im Sommer zeigten er und gut 20 weitere Kunstschaffende im ehemaligen Verkaufsraum die Ausstellung „Heilsam – was gut tut“. Eine Hommage und Erinnerung an die Apotheke, bei der beispielsweise Pillen in den Kunstwerken verarbeitet wurden. Dass der Verlust der Apotheke im Ort eine Wunde hinterlassen habe, sei ihm bewusst, sagt der Künstler und Kunstlehrer aus Hegnach.

Derzeit hängen in der Bildzentrale eigene Arbeiten aus der Reihe „Zentrifug“, die sich mit Fliehkräften beschäftigt. Die bis zu zwei Meter großen Arbeiten in kraftvollen, kontrastreichen Farben zeigen Menschen in Fahrgeschäften wie beispielsweise einer Geisterbahn. Neumann mischt gerne Abstraktes und Figürliches, schätzt Pop-Art und Expressionismus gleichermaßen und sagt: „Ganz weg vom Gegenstand gehe ich eigentlich nicht.“ Das Bild, an dem er dieser Tage in seinem Atelier malt, sei eine Reminiszenz an Willi Baumeister und für eine auswärtige Ausstellung gedacht, sagt Neumann, der sich als Nachtarbeiter bezeichnet.

Schon als er Ende der 1990er-Jahre sein Studium der Malerei, Zeichnung und Kunstgeschichte in Stuttgart an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste aufnahm, war für Wolfgang Neumann klar, dass ihm die Freiheit in der Kunst über alles geht. Eben darum habe er sich anfangs entschieden, auch als Kunsterzieher zu arbeiten, erzählt Neumann, der lange in Stuttgart als Kunstlehrer tätig war und seit Schuljahresbeginn am Staufer-Gymnasium Waiblingen unterrichtet. „Denn die Oberkonsequenz der Freiheit ist, aufhören zu können, wenn man das will.“ Danach sieht es im Atelier derzeit allerdings nicht aus – bis 2026 ist Wolfgang Neumann für Ausstellungen gebucht.