Die Künstlerin vor einem ihrer stimmungsvollen Aquarelle. Foto: Susanne Müller-Baji

Kerstin Prewo stellt Aquarelle aus, die mit Können und auch einem Quäntchen Glück gemacht sind.

Weilimdorf - Die neue Ausstellung in den Weilemer Amtsgängen kommt eigentlich gerade zur rechten Zeit: Immer wieder anders sieht die Welt dieser Tage aus: Eben sind noch die letzten bunten Blätter gefallen, jetzt wechseln sich Nebel, Schneefall, Regen und manchmal sogar Sonnenschein ab. Eine Großwetterlage wie gemacht für Kerstin Prewo, die die Natur und ihre Stimmungen mit ihrer ganz eigenen Aquarelltechnik einfängt, aber nicht abbildet. „Jedes Wetter hat etwas“, sagt sie begeistert. Der Ausstellungsbesuch wird da zur Entdeckungstour.

Eine bläuliche Distanz liegt über dem „Zauberwald“, die Reflexion des Sonnenlichts verleiht dem Wasser in „Turmspiegelung in der Rems“ erst seine Tiefe. Und nur wenige Schritte weiter türmen sich in „Donnerwetter“ die Sturmwolken bereits äußerst bedrohlich auf: Die Natur, wie sie Kerstin Prewo in beinahe jedem Bild feiert, zeigt immer neuen Facetten. Und ausgerechnet die bei vielen als dogmatisch und schwierig geltende Aquarellmalerei wird dabei zum Spielfeld für bildnerische Experimente.

Die Aquarellmalerei beschäftigt die Künstlerin seit 1989; das Rüstzeug dazu hat sie sich seither in geschickt gewählten Kursen und Seminaren angeeignet. Geschickt auch deshalb, weil sie nicht der klassischen Technik verhaftet geblieben ist: Vieles kann, nichts muss – so geht Prewo an die Arbeit: Das Weiß des Papiergrunds muss nicht unbedingt stehen bleiben, und Fotos dienen als Inspirationsquelle, aber nicht als Vorlage: „Ich schaue mir die Bilder zu Beginn zwar an, doch dann verselbstständigt sich der Malprozess.“ Besonders schätzt sie am Aquarell, dass sich „ungeheuer viel korrigieren lässt, allerdings nur einmal.“ Den Farbauftrag auswaschen und nach dem Trocknen übermalen – das geht, solange das Papier nicht verletzt wird.

Außerdem entstehen so spannende Effekte, wie im Blatt „Unterwassersteine“. Deren große Farbdichte erzielte die Malerin, indem sie die Farbe erst antrocknen ließ und dann wieder ausspülte. Die verbleibenden Ränder sorgen für erste Vorgaben auf dem Papier: „Und damit geht das Spiel los.“ In anderen Arbeiten hat sie auf diese Weise zum Beispiel das sonst dunkle Geäst eines Baumes auf dem angefärbten Grund als Negativstruktur weitergeführt oder den Frachtschiffen im Hafen einen rostroten Wiederschein verliehen.

Farbspritzer entwickeln ihre eigene Dynamik

Vor allem aber lädt sie so den Zufall ein, seinen Teil zur Bildidee beizutragen: Das Quäntchen Glück, das eben auch dazugehört. Dann entwickeln Farbspritzer ihre eigene Dynamik innerhalb des Motivs. Und die neuesten Arbeiten, die beiden relativ großformatigen Waldbilder an der Hauptausstellungswand, vergehen zum Rand hin in Tropfen und Schlieren, als löse sich die Fotoschicht aus alten sepiafarbenen Aufnahmen.

„Das Aquarell hat für mich viel mit Natur zu tun“, sagt Kerstin Prewo. Aus der Weilimdorfer Werkschau, die sie entsprechend mit „Natur, Stille und Mee(h)r“ überschrieben hat, nimmt der Betrachter daher zweierlei mit: Die Erkenntnis, dass die Aquarelltechnik eine erstaunlich experimentelle Seite haben kann – und die Lust auf einen frühwinterlichen Spaziergang, egal bei welchem Wetter.