Die 1988 in Paris geborene Künstlerin Eloïse Cotty hat unter anderem in Stuttgart studiert und heute ein Atelier an den Wagenhallen. Foto:  

In unserer Redaktion an der Stuttgarter Geißstraße gibt es wieder Kunst zu sehen: Die französische Malerin Eloïse Cotty stellt ihre Bilderserie „Hydro“ aus.

S-Mitte - Ein Rabe ist auf einem Bild wie ein Unglücksbote mit glänzend schwarzem Gefieder am Rand eines Schwimmbeckens zu sehen. Eine ältere Frau streckt sich sich auf einem anderen in dem blau schimmernden Wasser auf dem Rücken liegend aus. Ihre Haut wirkt auffallend blass. Sie berührt einen als Flamingo geformten Schwimmreif. Dessen spitzer Schnabel und die dunklen, starr blickenden Augen verleihen dem Gummitier das Aussehen einer Harpyie. Sie scheint im Begriff zu sein, gleich eines ihrer Opfer zu zerreißen.

Unheil liegt in beiden Szenen in der Luft. Sie lassen an die beiden französischen Filme mit dem Titel „Swimming Pool“ denken. Sowohl in der Version mit Romy Schneider aus dem Jahr 1969 als auch in der von François Ozon 2003 verfilmten Neuauflage schleicht sich das Unglück an ein harmlos erscheinendes Ferienvergnügen heran.

Cotty setzt sich mit Selbstinszenierung auseinander

Sonne und chloriertes Wasser, das sind eigentlich Zutaten für unbeschwerte Urlaubsbilder. Sie schmücken gerne die Instagram-Profile. Die 1988 in Paris geborene Künstlerin Eloïse Cotty nimmt in ihren Werken die Selbstinszenierungen auf dem Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos aufs Korn.

Sie kontrastiert sie mit verstörenden Elementen und nimmt so der Instagram-Welt ihre Unbekümmertheit. Die beschriebenen Bilder gehören zu Cottys Serie „Hydro“. Einige Werke aus der Serie sind jetzt im Innenstadtbüro der Stuttgarter Zeitung und Nachrichten an der Geißstraße 4 zu sehen.

Eine Generation verbirgt ihre Leerstellen

Cotty sieht sich als kritische Beobachterin ihrer eigenen Generation. Deren Neigung, sich in Szene zu setzen, um von möglichst viele in der virtuellen Welt ein „Like“ zu bekommen, will sie mit Ironie brechen. „Ich frage mich, wofür brauchen wir diese Zurschaustellung, wenn unser Leben wirklich so schön ist wie auf Instagram-Bildern?“ meint Cotty. Sie glaubt, dass viele junge Menschen heute als außergewöhnlich wahrgenommen werden wollen – selbst wenn das Leben nur aus einem mehr oder weniger erfüllenden Job, Partys und körperlicher Selbstoptimierung im Fitnessstudio besteht.

Der ironische Blick auf die Phänomene des digitalen Zeitalters und die dahinter sich verbergenden Leerstellen zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk der Künstlerin. Eine ihrer Serien hat sie dem sogenannten Photobombing gewidmet. Darunter verstehen Instagram-User freiwillige oder unfreiwillige Aktionen, bei denen sich eine Person in den Vordergrund drängelt und die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht.

Ein Hund stellt den Papst in den Schatten

Cotty lässt in einem Bild der Serie einen kleinen Hund frech hinter Papst Franziskus über die Thronlehne lugen. „Menschen können heute über so etwas eine Stunde lang lachen, ohne dass ein Sinn dahintersteckt“, meint sie. Sie suche jedes Jahr sich ein neues Thema, das sie zum Malen inspiriere, sagt Cotty. Derzeit sammele sie reelle Erlebnisse, die Menschen unwirklich und wie im Traum vorgekommen waren. Mögen viele ihr Leben als so gewöhnlich empfinden, dass sie es nur durch die Filter von Instagram betrachten mögen, Cotty glaubt an das Besondere in jeder Biografie.

Erlebnisse verbinden sich mit Fantasie

Sie verknüpft die Erlebnisse mit ihrer eigenen künstlerischen Fantasie. „Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie im Internat einmal zwei Nonnen beim Küssen erwischt hat. Die Nonnen auf meinem Bild halten wie Eva Äpfel der Versuchung in der Hand.“

Die Künstlerin studierte Kunst in Nizza und Stuttgart und bereitet sich auch ihr Studium am Atelier de Sèvres in Paris vor. Es hing nicht nur mit der Kunstakademie auf dem Killesberg zusammen, dass sie von Frankreich nach Stuttgart ging. Der Kunstbetrieb der beiden Nachbarländer gewichte Stile und Techniken anders, erklärt die Französin. „Mein Eindruck war damals, dass deutsche Hochschulen für figurative Malerei offener waren als die in Frankreich“, sagt die Wahlstuttgarterin. Für ihre inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Generation zwischen digitaler Selbstdarstellung und Selbstentblößung dürfte es jenseits wie diesseits des Rheins genügend Anschauungsmaterial geben.