Am Arc de Triomphe wird im Moment fleißig gewerkelt. Er wird allerdings nicht saniert, sondern für die Verhüllung im September vorbereitet. Foto: Krohn/Krohn

In Paris wird Mitte September nach den Plänen des verstorbenen Verpackungskünstlers der Arc de Triomphe verhüllt. Die Vorbereitungen laufen im Moment auf Hochtouren.

Paris - Die junge Touristin aus Italien ärgert sich. Sie will sich in mondäner Pose von ihrem Freund vor dem Arc de Triomphe fotografieren lassen und nun verdecken riesige Kräne das Monument. Überhaupt sieht es dort aus wie auf einer Baustelle. Eine Absperrung aus rot-weißen Betonklötzen läuft rund um das Pariser Wahrzeichen, ein Stahlgerüst wächst im Innern des mächtigen Bogens empor und seltsame Konstruktionen aus grauen Plastikrohren sind über die beeindruckenden Fresken an der Außenseite des Triumphbogens gestülpt.

Zeugin einer spektakulären Kunstaktion

Der Zorn der jungen Frau verfliegt allerdings schnell, als sie erfährt, dass sie Zeugin eines einzigartigen Kunstprojektes ist. Denn der Arc de Triomphe wird nicht saniert, sondern auf seine spektakuläre Verhüllung vorbereitet. Mitte September wird das Monument nach den Plänen des Verpackungskünstlers Christo für zwei Wochen unter 25 000 Quadratmetern silber-bläulich schimmerndem Stoff verschwinden. Dass der Mann kurz vor der Verwirklichung seines Lebenstraumes gestorben ist, entlockt der italienischen Touristin dann noch ein erstauntes „Ohhh!“. Und wieder einmal zeigt sich: große Kunst lebt auch durch große Erzählungen.

Der Aufstieg zum Weltstar

Die Verhüllung des Arc de Triomphe liefert mehr als eine Geschichte, die jede von Romantik, Beharrungsvermögen und auch Geschäftssinn erzählen. Christo war nach seiner Flucht aus dem kommunistischen Bulgarien in die französische Hauptstadt gezogen, wo er zwischen 1958 und 1964 lebte. Dort lernte er seine in Casablanca geborene Partnerin Jeanne-Claude kennen und es entstand die spektakuläre Idee, den Arc de Triomphe zu verhüllen. Erste Skizzen des Projektes stammen aus dem Jahr 1962. Damals begann der Künstler die unterschiedlichsten Alltagsgegenstände zu verhüllen wie Dosen, Flaschen, Stühle oder, Kinderwagen. Er wollte damit aber nicht die Realität verstecken, sondern den Dingen ihre ursprünglichen Linien wiedergeben und den Betrachtern eine neue Wahrnehmung ermöglichen. Damals war der Plan des völlig unbekannten Paares, das für die französische Geschichte zentrale Monument in Paris zu verhüllen, allenfalls eine verwegene Utopie.

Über ein halbes Jahrhundert später aber haben es Christo und Jeanne-Claude mit ihren Verpackungsaktionen zu Weltruhm gebracht. Bereits Mitte der 1980er Jahre verhüllten sie die Pont-Neuf in Paris hinter 40 876 Quadratmetern Polyamidgewebe, zehn Jahre danach den Reichstag in Berlin. Der Triumphbogen schien im Leben des Künstlerpaares wie die Krönung eines langen, gemeinsamen Schaffens. Nach dem Tod seiner Frau Jeanne-Claude im Jahr 2009 schien Christo noch konsequenter an seiner Idee zu arbeiten.

Der Tod ist nicht das Ende des Projekts

Geplant war, die Verhüllung des Wahrzeichens gemeinsam mit einer großen Ausstellung im Pariser Centre Pompidou zum kulturellen Highlight des Jahres 2020 zu machen. Dann kam der erste unerwartete Rückschlag: die Corona-Pandemie. Das Projekt musste nur Wochen vor dem erfolgreichen Abschluss jäh gestoppt und um über ein Jahr verschoben werden. Das endgültige Aus schien mit der Nachricht vom Tode Christos am 31. Mai 2020 gekommen, er war in New York kurz vor seinem 85. Geburtstag gestoben. Doch dann zeigte sich, was wirklich große Kunst ausmacht, die sich von ihrem Erschaffer löst und auf faszinierende Weise weiterlebt.

Ein begnadeter Geschäftsmann

Möglich gemacht wird das Projekt allerdings vor allem auch dadurch, dass Christo ein akribischer Arbeiter und auch genialer Geschäftsmann war und bis kurz vor seinen Tod minutiös jeden Schritt der Verhüllung geplant hat. Christo fertige viele Zeichnungen des Projekts an und sicherte so auch dessen Finanzierung. Denn wie immer legte er großen Wert darauf, unabhängig von Sponsoren zu sein. Das nötige Geld in Höhe von rund 14 Millionen Euro kommt also auch in diesem Fall über den Verkauf von Drucken und Zeichnungen des Meisters zusammen. Auch dieses profane, aber sehr wichtige Detail dürfte letztendlich dafür gesprochen haben, das Projekt auch nach dem Tode des Künstlers fortzuführen.

Die seit Wochen andauernden Vorarbeiten am Arc de Triomphe zeigen die logistische Herausforderung und den enormen Aufwand, der eine solche Verpackungsaktion bedeutet. Auch das lässt erahnen, wie monumental die Kunst von Christo ist. Ihm gelingt es nicht nur, die Wahrnehmung des Betrachters zu weiten, sondern auch das Schwierige und Komplizierte am Ende ganz leicht aussehen zu lassen.