Martialischer Auftritt: Rechtsextreme bei einer Demo in Köln Foto: dpa

Am Pfingstsamstag wollen Rechtsextreme demonstrieren – begleitet von bis zu 4000 Polizisten.

Stuttgart - Dutzende schwarz-weiß-rote Fahnen wehen im Wind. Behelmte Polizisten lotsen einen Pulk von Neonazis durch die Straßen. Wer sich das mit pathetischer Musik unterlegte Video anschaut, mit dem die rechtsextreme Szene seit Wochen ihre Anhänger mobilisiert, bekommt einen Eindruck davon, was die Stadt Karlsruhe am Pfingstsamstag erwartet. Hunderte Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet wollen dort den „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) begehen.

Vom Durlacher Bahnhof soll ihr Marsch am Rande der Altstadt entlang führen – begleitet von bis zu 4000 Polizisten. Vom „bisher größten Einsatz in dieser Form“ spricht der Erste Bürgermeister Wolfram Jäger, der für die Stadt die Maßnahmen rund um das Großevent koordiniert. Er geht davon aus, dass den Rechten dreimal so viele Gegendemonstranten gegenüber stehen werden. „Zwangsläufig ist unser Ziel die strikte Trennung, um das Demonstrationsrecht für alle zum Tragen kommen zu lassen“, sagt Jäger.

Damit spielt der Jurist auch auf ein Urteil des Mannheimer Verwaltungsgerichtshofes an, das der Fächerstadt im Dezember 2015 eine Schlappe bereitete. Damals erklärten die Richter die Entscheidung, einen angemeldeten Marsch von Neonazis durch Karlsruhe angesichts starker Gegenproteste auf eine Kundgebung zu beschränken, für rechtswidrig. „Das VGH-Urteil ist quasi eine Handlungsanweisung für uns“, erklärt Jäger. Er vermutet, dass das auch die Rechten wissen.

In der Szene wird bundesweit die Werbetrommel gerührt

Die bereiten sich seit Monaten auf den Tag vor. In ganz Deutschland wird auf Treffen der Szene die Werbetrommel gerührt. Die eigentliche Demonstration sei im Grunde nur die „Belohnung der Aktivisten“ für die „ganzjährige Kampagne“, verkündet Dieter Riefling in einem Interview mit Gleichgesinnten. Der Hildesheimer muss es wissen. Riefling ist seit den Achtziger Jahren in Neonazigruppen aktiv, wurde mehrfach zu Haftstrafen verurteilt. Er sieht sich selbst als „Emulgator“, der die zersplitterte Szene zusammenbringt. Dazu passt der „TddZ“, den Riefling mit erfand. Unter diesem Kürzel kommen seit 2009 NPD, Freie Kameradschaften und rechte Hooligans zu Aufmärschen zusammen.

Dass Karlsruhe die erste Stadt im Südwesten ist, in der die Kampagne Halt macht, liegt vor allem an der Neonazipartei „Die Rechte“. Ihre Mitglieder halten die Zügel in der Hand. Im Badischen versucht die 2012 gegründete, nur wenige hundert Mitglieder starke Kleinpartei in den letzten Jahren verstärkt Fuß zu fassen. Im Gegensatz zur krisengeschüttelten NPD inszeniert sich „Die Rechte“ auf der Straße.

Auch für kleinere Kundgebungen reisen Redner aus Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen an, um den „Strukturaufbau“ in Baden-Württemberg zu unterstützen. Zuletzt sorgten „Die Rechte“-Funktionäre für Aufsehen, als sie bei den Bürgermeisterwahlen in Sinzheim bei Rastatt und Au am Rhein kandidierten.

Enge Kontakte in die rechtsextreme Musikszene

Zugute kommen den badischen Neonazis auch ihre engen Kontakte in die rechtsextreme Musikszene. Die versammelte sich erst vor wenigen Wochen unter dem Motto „Stimmen der Bewegung“ zu einem „Solidaritätskonzert für den TddZ“. Für den Abend warb auch das internationale Neonazi-Netzwerk „Blood and Honour“, dessen deutscher Ableger seit dem Jahr 2000 verboten ist.

Die Karlsruher Politikwissenschaftlerin Ellen Esen hält es deshalb nicht für einen Zufall, dass die Rechten in die Fächerstadt kommen. „Hier gibt es seit den Neunziger Jahren gewachsene rechtsextreme Strukturen mit bundesweiten Kontakten“, sagt Esen. Die Szene versuche außerdem, an „Anti-Asyl-Proteste“ in der Stadt anzuknüpfen. Tatsächlich zeichnen die Veranstalter des „TddZ“ in ihren Flugblättern ein düsteres Bild unserer Gesellschaft. Täglich kämen „tausende art- und kulturfremde Menschen in unser Land“. Dass die Schutz vor Krieg und Zerstörung suchen, sei nur ein „Deckmantel“, unter dem sich Politiker ein „neues Volk“ bauten. Schulstunden „deutscher Schüler“ würden ausfallen, damit die Lehrer „Schulklassen, die nur aus Asylantenkindern bestehen“, betreuen könnten.

Breites Aktionsbündnis plant Gegendemo

Wenn es nach Elwis Capece geht, finden solche Parolen am Pfingstsamstag keine Zuhörer. Der Gewerkschafter ist einer der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen die Neonazidemo, dem sich mehr als 130 Organisationen angeschlossen haben. „Eine tolerante und moderne Gesellschaft darf auf die Argumentation der Nazis nicht reinfallen“, sagt Capece. Das Bündnis will sich den Rechten deshalb in den Weg stellen und ruft zu mehreren Mahnwachen und Kundgebungen auf. Am Durlacher Busbahnhof wird der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup als Redner erwartet. Ob genügend Bürger auf die Straße kommen? Capece ist optimistisch. Er erhofft sich für den Pfingstsamstag ein deutliches Zeichen: „Denn Weltoffenheit, Humanismus und Solidarität sind Werte, die man nicht voneinander trennen kann“.