Mehr als 500 Demonstrierende haben den Marktplatz in Vaihingen (Kreis Ludwigsburg) zum Leuchten gebracht und damit ein starkes Zeichen für „Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte“ gesetzt.
„Es war noch nie so wichtig wie jetzt“, sagt Beate Schiek. Die 69-jährige Vaihingerin ist zum ersten Mal überhaupt in ihrem Leben dem Aufruf zum Demonstrieren gefolgt. Am Freitagabend steht sie weit vorne und gibt sich kämpferisch. „Wir müssen jetzt ein Zeichen setzen gegen Rechts und für die Demokratie einstehen, sonst war alles umsonst, was wir aus dem Dritten Reich gelernt haben.“ Damit bringt Schiek schon vor Beginn auf den Punkt, was die mehr als 500 Menschen bewegt, die sich nach Feierabend auf dem Marktplatz versammelt haben.
Dazu aufgerufen hatte das eigens dafür geschaffene „Bündnis Vaihingen – Für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte“, zu dem sich 14 verschiedene Initiativen und Institutionen zusammengetan haben. Ganz wörtlich zu nehmen war dabei das Motto „Vaihingen leuchtet auf!“, denn die Teilnehmer hatten Kerzen mitgebracht und verwandelten so den Marktplatz in ein Lichtermeer. Ein starkes, symbolkräftiges Bild und für Versammlungsleiterin Natalie Hüeber ein „Zeichen der Hoffnung und des Zusammenhalts der Zivilgesellschaft“.
Brennende Kerzen auch in den Rathausfenstern
Im Schulterschluss mit der lokalen Politik, denn auch in den Fenstern der Rathaushausfront waren große, brennende Kerzen platziert. Die Kommune ist Teil des Bündnisses, Oberbürgermeister Uwe Skrzypek fungierte als Schirmherr der Demo. Und er war ganz geplättet angesichts der leuchtenden Vollversammlung auf dem Platz: „Wie schön, für diese Sache hier vor so vielen Leuten zu stehen“, rief er aus und ergänzte: „Ich bin unendlich stolz, dass Sie hier in der Kälte stehen und dieses beeindruckende Bekenntnis abgeben, denn Vaihingen steht für Vielfalt und für eine Gesellschaft für alle, gleich welcher Hautfarbe, Religion oder Ausprägung.“
Mit Spannung erwartet wurde die Rede der Vaihinger NS-Zeitzeugin Wendelgard von Staden. Die fast Hundertjährige erzählte, wie sie just an diesem Platz „die Begeisterung für die Nazis“ erlebt habe, „und das Ende war fürchterlich“. Sie zeigte sich tief besorgt darüber, „wie eine solche Tendenz nun wieder Platz greift“. Sie habe das Wahlprogramm der AfD studiert und frage sich, „was man davon überhaupt ernstnehmen kann“. Etwa den Austritt aus der EU oder die Abschaffung des Euro? Bedrohlich sei, dass „wieder Menschen verfolgt werden sollen. Und wie viel sie rauswerfen wollen, das haben sie ja noch gar nicht gesagt“.
All dem müsse man „jetzt Einhalt gebieten, damit nicht alles zurückgedreht wird, was wir in zwei, drei Generationen geschaffen haben“. So sprach Wendelgard von Staden den Versammelten ihren Dank dafür aus, „dass Sie sich entschlossen haben, etwas dagegen zu tun und dagegen zu halten“. Politisch gehe es darum, dass die Mitte der Gesellschaft nicht zerrissen werde. „Wir müssen zusammenstehen und die Mitte zusammenhalten, damit diese die Kraft findet, die Probleme anzupacken und zu lösen.“ Ihre Rede wurde mit großem Beifall bedacht.
Jede Kerze ist ein Lichtblick
Für die christlichen Kirchen der Stadt sprachen Karin Grau und Gerhard Ruhl. Angesichts „menschenverachtenden Gedankenguts, das in die Gesellschaft einsickert“, erinnerte Grau an die Bischöfin, die dem wiedergekehrten US-Präsidenten die Stirn bot: „Sie hat Barmherzigkeit gefordert für Menschen, die nun in Angst leben. Lasst uns dafür sorgen, dass wir nie in eine solche Situation kommen.“ So sei jede brennende Kerze auf dem Platz ein Lichtblick und auch „ein Appell an alle, die das Herz auf dem rechten Fleck haben und Menschenliebe in sich tragen“. Sie rief der Versammlung zu: „Seid beherzt, strahlt es aus, tragt es hinaus!“
Markant war auch die Band „The Fairy Meadows“ mit ihren musikalisch-textlichen Beiträgen. Eine Übung in Empathie der „Boat“-Song, Klartext das „Mitgehetzt“. Und „weil sich in den Köpfen was ändern muss“, spielten sie zum Schluss „Imagine“, die Menschlichkeits-Hymne der Beatles. Die Demonstrierenden sangen mit, schwenkten die Handy-Lichter und brachten Vaihingen so noch eindrucksvoller zum Leuchten.