Auf dem Schlossplatz fand eine große Kundgebung unter dem Titel „Das Fest gegen Rechts“ vom Netzwerk Gemeinsam gegen Rechts – Für eine bessere Demokratie statt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Für eine bessere Demokratie versammelten sich am Samstag zahlreiche Menschen bei einer Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Mit dabei: hochkarätige Gäste aus Wissenschaft und Kultur wie etwa Walter Sittler, Max Herre und Max Uthoff.

Serkan Eren hat in den letzte Nächten schlecht geschlafen. Als einer der Redner und Gäste auf dem „Fest gegen Rechts“ am Samstag auf dem Stuttgarter Schlossplatz erzählte der Initiator und Leiter der Hilfsorganisation Stelp auch, warum: Es war der Slogan „Schnelle Remigration schafft Wohnraum“ auf dem Wahlplakat des Stuttgarter AfD-Kandidaten Thomas Rosspacher, der ihm den Schlaf raubte. Er sei, bekannte der gebürtige Schwarzwälder, fassungslos gewesen. Das Entsetzen über die faschistischen Vorhaben dieser Partei, das sichtbar alle Teilnehmer der Kundgebung bewegte, sei mehr als begründet: „Die Pläne für eine Massenausweisung, Björn Höcke spricht von 20 bis 30 Prozent, sind nicht vom Tisch“, machte auch der Politikwissenschaftler Klaus Dörre aus Jena klar. Und der Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler wartete mit AfD-Zitaten auf, die die Einstellung und Gewaltbereitschaft einiger Akteure und Anhänger der Partei unterstreichen sollten. Zum Beispiel: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt.“

 

Kooperation von Kunst, Wissenschaft und politischem Engagement

„Reicht es, dagegen auf die Straße zu gehen?“, fragte Sittler und gab selbst die Antwort: „Es muss sein.“ Denn es gebe nach der Erfahrung des Nationalsozialismus keine Entschuldigung mehr, den Faschismus nicht zu erkennen und zu bekämpfen. Wie Max Herre in dem Song „Dunkles Kapitel“ gesungen hat: „Wehret den Anfängen.“

Und wie es das Netzwerk gemeinsam gegen Rechts für eine bessere Demokratie seit letztem Oktober intensiv und konsequent betreibt: „Wir tauchen jeden Monat irgendwo auf, in einem Club, in einem Theater, oder im Jugendhaus. Wir wollen die Kooperation von Kunst, Wissenschaft und politischem Engagement – parteiübergreifend und nach der Devise: Weg mit den Scheuklappen, raus aus der Blase, bauend auf Gemeinsamkeit“, erklärt Joe Bauer. Er ist zusammen mit der ehemaligen grünen Landtagsabgeordneten Brigitte Lösch und Tom Adler einer der Initiatoren.

„Wir brauchen mehr soziale Unterstützung, um den Nährboden für faschistische Umtriebe auszutrocknen“, forderte Bauer und kündigte an: „Wir machen weiter und gehen auch in Zukunft auf die Straße, um die demokratische Freiheit zu verteidigen.“ Denn er sei sicher: „Die Bereitschaft, sich gegen die auftürmende rechte Welle zu stellen, ist weit verbreitet.“

„Die Wahlen am 9. Juni sind wichtiger denn je“, rief Maike Schollenberger von Verdi in Erinnerung und mahnte, dass die Wahlbeteiligung von 2019 mit 59 Prozent unbedingt gesteigert werden müsse, um effektiv die Demokratie zu verteidigen.

Medienwissenschaftlerin: Anwesenheit der AfD ist bedrückend

„Noch nie war der Rechtsextremismus im Nachkriegs-Deutschland so stark wie heute“, stellte auch Tanja Thomas, Medienwissenschaftlerin an der Uni Tübingen, fest. Die Anwesenheit der AfD sei bedrückend, schon jetzt trete deren Vorhaben, die freie Meinungsäußerung zu unterbinden, in der Bedrohung von Journalisten und den Verschwörungstheorien gegen die Medien zutage, prangerte sie Parolen-Beispiele als „Unfug“ an. Als Demokratin habe man viele Möglichkeiten, die Demokratie am Leben zu erhalten. Wie etwa die Initiative Stuttgart gegen Rechts, die laut Jessica Messinger dafür sorgen will, dass die AfD keine Veranstaltung ohne Protest durchziehen kann.

Zwischen Ursachenforschung und Pointen

Wie konnte es kommen, dass diese Partei so viele Wähler hat? Klaus Dörre gab die Antwort: „Es sind die sozialen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft, die ein obszönes Maß erreicht haben.“ Dieses Stichwort hätte der Münchner Kabarettist Max Uthoff nicht gebraucht: In einer gewohnt fulminanten satirischen Tour d’horizon geißelte auch er die sozialen Ungerechtigkeiten in der bundesrepublikanischen Gesellschaft und lieferte mit den zugespitzten Belegen für die Vorgestrigkeit der Politik von Markus Söder und den Seinen ein bitterböses und vielbejubeltes kabarettistisches Kabinettstück. Wie alle prominenten Gäste ohne Gage.