Ein Mann trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Man lässt keine Menschen ertrinken! Punkt!“. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

120 Menschen sind dem Aufruf der Stuttgarter Seebrücke unter dem Motto „Leave noone behind“ gefolgt. Die Kundgebung auf dem Marktplatz erinnerte an das Schicksal von Flüchtlingen.

Stuttgart - Freundlich weist eine Ordnerin zwei Demonstranten auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Distanz hin. Kreidekreuze auf dem Pflaster des Marktplatzes markieren, wo man sich in die „Menschenkette mit Abstand“ einreihen darf. 120 Menschen sind dem Aufruf der Stuttgarter Seebrücke unter dem Motto „Leave noone behind“ gefolgt. Die Kundgebung soll Solidarität mit Flüchtlingen zeigen und an die Situation im Lager Moria erinnern. Thematisiert werden aber auch Missstände vor der eigenen Haustür, etwa in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen, wo Corona-Infizierte und gesunde Bewohner gemeinsam unter Quarantäne gestellt wurden.

Einen roten Faden bildet bei allen Redebeiträgen, gleich ob sie deutsche Waffenexporte oder die Seenotrettung in den Mittelpunkt stellen, die Bedeutung von Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Grundsatz müsse für alle gelten, so Peter Grohmann (Die Anstifter), der in Anspielung auf die Klagen der Autoindustrie klarstellte, die Flüchtenden seien tatsächlich unverschuldet in jene Krisen geraten, denen sie nun zu entkommen suchten.

Der „sichere Hafen Europa“ dürfe keine Worthülse bleiben

Katja Walterscheid (Just Human) schildert einzelne Schicksale auf Lesbos gestrandeter Jugendlicher. Seebrücke-Aktivistin Ronja ruft in Erinnerung, Anfang März habe man noch die Aufnahme von 5.000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland diskutiert. Lediglich 50 seien nun hier.

„Manchmal sind auch Zusehen und Weghören Gewalt“, mahnt Grohmann und merkt bissig an, für viele Zeitgenossen seien offenbar die größten Probleme, dass man bei Ikea Schlange stehen und die nächste Fernreise vertagen müsse. Demoteilnehmerin Sarah denkt anders. „Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass Menschen aus Moria herkommen können“, erklärt die junge Frau. Der „sichere Hafen Europa“ dürfe keine Worthülse bleiben.

Konkret fordert die Seebrücke die Entkriminalisierung der Seenotrettung, eine Wiederaufnahme staatlicher Rettungsaktionen und eine Evakuierung des auf 3.000 Menschen ausgelegten Lagers auf Lesbos, wo aktuell 20.000 Flüchtlinge ausharren.