Der Medienrummel wird den geretteten Bergleuten zu viel. Sie wollen wieder arbeiten.

Sao Paulo - Rund um die Uhr klingelt das Telefon von Elvira Valdivia, der Frau von Mario Sepólveda. Jubelnd, schreiend und überdreht sprang dieser nach seiner Rettung aus der Rettungskapsel, umarmte die Helfer des Bergungsteams, machte Witze und weckte mit seiner Art das Interesse der Medien. Seither stehen die Fernsehsender Schlange, um den extrovertierten "Super Mario" in ihre Sendungen zu kriegen. Inzwischen sollen gar die Produzenten des amerikanischen Talkshow-Stars Oprah Winfrey angeklopft haben.

Elvira Valdivia, die kurzerhand als Managerin für ihren Mann eingesprungen ist, kann nicht mehr alle Anfragen annehmen. "Wir gehen dorthin, wo man uns am meisten bezahlt", verrät sie der chilenischen Tageszeitung "El Mercurio".

Nicht nur Mario Sepólveda wird von Anfragen überhäuft, auch viele seiner 32 Kumpel können sich dem Medienrummel nur schwer entziehen. Journalisten aus aller Welt wollen Interviews mit den Helden und bieten dafür saftige Beträge an. Bis zu 25000 Dollar sollen von gewissen Medien für Interviews angeboten worden sein.

Verlage reißen sich um Tagebuchaufzeichnungen

Auch um die Aufzeichnungen von Victor Segovia, der die 69 Tage Gefangenschaft in einem Tagebuch festgehalten hat, reißen sich die Verlage. Filmproduzenten gieren nach dem Stoff, um die Geschichte der 33 Helden von Chile auf die Leinwand zu bringen. Der Schweigepakt, den die Bergleute vor ihrer Rettung vereinbart hatten, ist längst vergessen. Die Vermarktung des Dramas, das sich in der Mine abgespielt hat, ist nicht mehr aufzuhalten.

Die Leidensgeschichte der 33 Bergleute ist noch lange nicht zu Ende. Die Männer, die seit Tagen ununterbrochen im Rampenlicht stehen und von einer Einladung zur nächsten rennen, sind einem extremen Stress ausgesetzt. Hinzu kommen der Druck der Familien, mit ihren Geschichten Geld zu machen, und der wachsende Neid unter den ehemaligen Leidensgenossen.

Keine Zeit für Erholung

Zeit, um sich zu erholen und das Erlebte zu verarbeiten, hatten die 33 Kumpel kaum. Immer deutlicher tritt zutage, wie schwer es den Bergleuten fällt, mit dem Erlebten und der momentanen Situation klarzukommen. Viele von ihnen leiden unter Schlafstörungen, versuchen ihr Trauma im Alkohol zu ertränken und bewegen sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Edison Pena, der in der Mine zu den Mutmachern gehörte, musste vergangene Woche ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem er eine Angstattacke erlitten hatte.

Glaubt man den Einschätzungen des Psychologen Alberto Iturra, der die Bergleute schon während deren Gefangenschaft betreut hatte, geht es den Männern trotz der großen Belastung gut. Dennoch empfiehlt er ihnen kürzerzutreten und sich etwas Ruhe zu gönnen. Man müsse nicht auf jedes Angebot eingehen, sondern könne eine Anfrage auch freundlich zurückweisen, wenn es einem zu viel werde. Iturra geht davon aus, dass sich die Aufregung bald legen wird.

"Wir sind keine Helden"

Auch den Bergleuten ist bewusst, dass sie irgendwann wieder in ein normales Leben zurückkehren werden. "Wir sind weder Filmschauspieler noch Helden, sondern Opfer von Unternehmern, die es unterlassen haben, in die Sicherheit zu investieren", sagt der gerettete Franklin Lobos. "Wir wissen, dass der Ruhm uns wenig bringt."

Lobos wie auch die meisten seiner Kumpel wollen wieder in einer Mine arbeiten, sobald sich ihr Leben etwas normalisiert hat. Einige sollen bereits erste Angebote erhalten haben. Und auch Medienliebling Mario Sepólveda sieht seine Zukunft nicht auf der Showbühne: "Sobald ich mich erholt habe, werde ich in die Mine zurückkehren - allerdings in eine, die sicher ist."