Die Lehrereinstellung bleibt ein wunder Punkt der Schulpolitik. Foto: dpa

Das Land tut alles für eine gute Unterrichtsversorgung, sagt Susanne Eisenmann. Doch es bleiben fast 800 Stellen unbesetzt und die Kultusministerin wehrt sich mit drastischen Worten gegen Kritik.

Stuttgart - Auch im kommenden Schuljahr ist an den Schulen in Baden-Württemberg damit zu rechnen, dass Unterricht ausfällt. Rund 790 Stellen sind zum Schuljahresbeginn unbesetzt, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) vor Journalisten. Im vergangenen Jahr seien es 700 gewesen. Das Defizit sei „sicher nicht zufriedenstellend“, so Eisenmann, jedoch sei es „ein großer Kraftakt“ gewesen, die Unterrichtsversorgung soweit herzustellen. 5800 Lehrerstellen hatte das Land zu besetzen, 4000 davon wurden durch Pensionierungen frei. Hier sieht Eisenmann einen Silberstreif am Horizont. „Die Pensionswelle beginnt abzuebben“, sagte sie. Im Jahr 2021 sei noch mit etwas mehr als 3000 Stellen aus Pensionierungen zu rechnen.

Unflexible Bewerber

Allein an den Grundschulen sind laut Ministerin Eisenmann noch 390 Stellen offen. Jedoch hätten 220 Bewerber nicht für eine Stelle gewonnen werden können, weil sie nicht an ihrem Wunschort war. „Das geografische Beharrungsvermögen der Bewerber ist eklatant“, wundert sich die Ministerin und appellierte an die Flexibilität der künftigen Lehrer. Oft seien keine großen Distanzen zu überwinden. So sei Tübingen extrem gefragt und Reutlingen komme nicht in Frage. Auch seien Stellen in Sigmaringen deutlich leichter zu besetzen als in Tuttlingen.

An den Gymnasien sind nur 20 Stellen noch offen. Doch an Realschulen sind 200 Stellen unbesetzt. Wegen der Umstellung des Lehramtsstudiums gebe es in diesem Jahr weniger Absolventen für die Sekundarstufe 1. Um die Lücken zu schließen, können erstmals ausgebildete Gymnasiallehrer als Lehrer an der Sekundarstufe 1 eingesetzt werden. 94 Stellen hätten so besetzt werden können, berichtete Eisenmann. An den Grundschulen gibt es die Möglichkeit schon zum zweiten Mal. Dieses Mal wurden 86 Stellen so besetzt. Gymnasiallehrer müssen zum Einsatz in der Grundschule oder an Realschulen eine einjährige berufsbegleitende Weiterbildung absolvieren. Eisenmann bedauerte: „Es wird immer schwieriger Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften für die Sekundarstufe 1 zu finden, besonders im ländlichen Raum“.

Keine unqualifizierten Lehrer

Der Lehrermangel ist ein bundesweites Problem, doch Eisenmann will die Qualität hochhalten: „Nicht ausgebildete Lehrer sind in Baden-Württemberg die absolute Ausnahme“. Als Negativbeispiel nannte sie Berlin, dort könnten Bewerber nach einer vierwöchigen Einführung Grundschüler im Lesen und Rechnen unterrichten. „Wir tun alles, um den Lehrermangel abzumildern. Unser Ziel ist die qualitätvolle flächendeckende Versorgung“, betonte Eisenmann.

Bei plötzlichen Erkrankungen soll schneller Abhilfe geschaffen werden. Nach einer Woche können Schulleiter Vertretungen beantragen. Bisher mussten sie drei Wochen warten. Der Philologenverband erwartet, dass so an Gymnasien deutlich weniger Unterricht ausfällt. Eisenmann will zudem für den Doppelhaushalt beantragen, die Krankheitsreserve von 1666 auf 2000 Stellen aufzustocken. Doch machte sie wenig Hoffnung. Es werde schwierig werden, die nötigen Lehrer zu finden. Doch sei das Vorhaben „ein richtiges Signal“

Für das Defizit machte sie Planungsfehler der Vergangenheit verantwortlich. So seien die Ausbildungskapazitäten zu spät erhöht worden. Das lassen SPD und FDP nicht gelten. „Nach beinahe dreieinhalb Jahren im Amt kommt der Verweis auf Fehler der Vergangenheit einem Akt der Verzweiflung gleich“, kommentiert Timm Kern, der Bildungspolitiker der FDP und Stefan Fulst-Blei (SPD) wirft Eisenmann vor: „Sie versäumt es, unsere Schulen zukunftsfähig zu machen“.

Nervöser Koalitionspartner

Im Vorfeld hatte es harsche Kritik von Seiten der GEW und der Grünen-Parteichefin Sandra Detzer gegeben. Der GEW entgegnete Eisenmann, sie vermisse konkrete Lösungsvorschläge. Die Äußerungen Detzers, die sich für mehr Ganztagsschulen und gegen kleine Hauptschulen ausspricht, nannte die Ministerin einen „hysterischen Rundumschlag“. Sie vermutet, „die Nervosität beim Koalitionspartner ist groß“, weil nicht klar sei, ob Winfried Kretschmann erneut zur Wahl antrete. Die von Detzer monierten Punkte seien alle „mit den Fraktionen gemeinsam beschieden“ worden. Eisenmann hofft, „dass der Ministerpräsident zu sachlicher Zusammenarbeit mahnt“.