Elisabeth Kübler geht als interkulturelle Trainerin in Altenheime Foto: Peter Petsch

Der Anteil der älteren Migranten liegt in Stuttgart schon heute an der Spitze deutscher Großstädte. Rund 30 Prozent über 60-Jährigen haben einen Migrationshintergrund, das sind etwa doppelt so viele wie Mitte der 1990er Jahre. Altenheime müssen sich auf diese Entwicklung einstellen.

Stuttgart - Wenn Elisabeth Kübler Altersheime besucht, um die Mitarbeiter kultursensibel zu schulen, stellt sie zu Anfang eine Frage: „Wer denkt, dass er keine Vorurteile gegenüber anderen Kulturen hat?“ Schnell stellt sich dann heraus, dass die meisten sofort bestimmte Klischee-Bilder im Kopf haben, denken sie zum Beispiel an Russen oder Türken. Elisabeth Kübler ist eine interkulturelle Trainerin, die in Pflegeheimen eine Schulung anbietet. „Interkulturelle Kompetenz ist heute eine Schlüsselkompetenz“, sagt sie. Sie möchte das Pflegepersonal besser darauf vorbereiten, dass vermehrt auch in den Altenheimen Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund betreut werden. Häufig herrschten insbesondere religiöse Vorbehalte – auf beiden Seiten.

Der Anteil der älteren Migranten liegt in Stuttgart schon heute an der Spitze deutscher Großstädte. Rund 30 Prozent über 60-Jährigen haben einen Migrationshintergrund, das sind etwa doppelt so viele wie Mitte der 1990er Jahre. Im Jahr 2020 werden mehr als 300  000 Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg älter als 65 Jahre sein. „Die erste Generation der Gastarbeiter kommt nun in das Alter, in dem sie pflegebedürftig werden“, sagt Elisabeth Kübler. Doch in Baden-Württemberg gibt es bisher keine Seniorenheime, die auf Migranten spezialisiert sind. Dabei haben etwa 50 Prozent der Pflegekräfte selbst Migrationshintergrund. „Auch innerhalb der Teams entstehen oft Missverständnisse, die kulturelle Hintergründe haben können“, sagt Kübler. Die erste Sitzung ihrer dreistufigen Schulung richtet sie an das gesamte Personal des Pflegeheims.

„Bisher gibt es in Stuttgart noch nicht viele Angebote speziell für ältere Migranten“, sagt Claudia Grimaldi von der Abteilung Integration der Stadt Stuttgart.Das liegt auch daran, dass Migranten die Pflegeeinrichtungen bisher noch kaum nutzen. „Wir empfehlen den Pflegeheimen, sich auf eine Ethnie festzulegen und dafür spezielle Angebote einzurichten“, sagt Grimaldi.

Zwar lehnen es Menschen mancher Kulturkreise generell ab, die Großeltern in Pflegeheime zu geben. Doch nicht jede Familie hat die Möglichkeit, die Angehörigen Zuhause zu pflegen. „Der Bedarf wird steigen“, ist sich Grimaldi sicher.

Als Beispiel für eine gelungene interkulturelle Öffnung eines Altenheimes nennt Grimaldi das Haus Adam Müller-Guttenbrunn der Caritas in Stuttgart-Rot. Dort versucht der italienischstämmige Sozialarbeiter Valerio Polimeni Senioren mit Migrationshintergrund durch verschiedene Kennenlern-Angebote zu erreichen. Besonders seine Landsleute aus Italien kann er mit Erzählcafés, Gymnastik oder Gesangstreffen gewinnen. „Wir wollen niemand bevorzugen, aber es ist einfacher, wenn man die Sprache spricht“, sagt Polimeni. Das Altenheim sei für alle Kulturen geöffnet und arbeite auch mit den ambulanten Diensten eng zusammen. Manche Barrieren sind leicht zu überwinden, wie zum Beispiel die Formulare und Verträge in verschiedenen Sprachen auszulegen. Doch Ängste überwindet man nur Stück für Stück, weiß Polimeni: „Es ist ein Prozess, doch es ist wichtig, dass wir damit angefangen haben.“