Gesprächsrunde im Wizemann unter strikter Beachtung der Hygieneregeln Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Auf Einladung unserer Zeitung haben namhafte Vertreterinnen und Vertreter der Veranstaltungsbranche erläutert, welche Voraussetzungen für einen Neustart notwendig sind. Über Äußerungen der Wirtschaftsministerin zeigten sie sich erfreut.

Stuttgart - Der 13. März 2020, ein Freitag obendrein, ist den Kulturschaffenden in Stuttgart in traumatischer Erinnerung. „An diesem Abend wollten wir zwei Premieren präsentieren, eine Musical-Revue in der Komödie im Marquardt, und einen Psycho-Krimi im Alten Schauspielhaus“, sagt Axel Preuß, Intendant der Schauspielbühnen. Die Premieren fanden nicht statt, es fand überhaupt nichts mehr statt, in keinem Theater, Konzertsaal, Kino, Museum oder in den großen Hallen.

Fast auf den Tag genau ist es jetzt ein Jahr her, dass die Pandemie zum ersten Lockdown gezwungen hatte, dem nach einer Verschnaufpause im Dezember der zweite Lockdown folgte und einen Winter des Missvergnügens bescherte. „Wie hat die Kulturregion das überstanden? Wie geht es weiter? Und welche Voraussetzungen sind für einen Neustart notwendig?“, fragt Jan Sellner, Chef der Lokalredaktion, Veranstalter und Kulturschaffende der Stadt am Dienstag bei einem von unserer Zeitung organisierten Round-Table-Gespräch im Wizemann – selbstverständlich erst ein Schnelltest bei allen Teilnehmern negativ ausgefallen war. Die einhellige Antwort der Beteiligten: „Wir brauchen Perspektiven. Und eine flächendeckende Impfung.“

Die Wirtschaftsministerin sehnt sich danach, ausgehen zu können

Stuttgart ist zu leise geworden. In der Kulturszene und auch in der City. Dem soll durch diese Runde entgegengewirkt werden. „Ziel ist es, in diesem Round Table aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen Veranstaltungen wieder stattfinden können“, sagt Nico Bosch, Leiter Messen und Events bei der Stuttgarter Zeitung Werbevermarktung. Geschäftsführer Oliver Nothelfer betont in seiner Begrüßung die Bedeutung des kulturellen Lebens in der Stadt: „Wir brauchen die Kultur.“

Doch momentan pulsiert nichts. Die aus epidemiologischer Sicht notwendige Kontaktvermeidung hat Wirkung gezeigt. „Wo sonst an einem Samstag auf der Königstraße hunderttausend Passanten unterwegs seien, waren es an den Lockdown-Samstagen 1500“, steuert City Manger Sven Hahn als Zahl bei. Das öffentliche und kulturelle Leben ist zum Erliegen gekommen. Dieser Beschreibung stimmt die zugeschaltete Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zu: Sie selbst sehne sich danach, wieder ausgehen zu können. Und natürlich sei die Veranstaltungsbranche ein wichtiger Wirtschaftszweig. Aber sie sei zuversichtlich: In absehbarer Zeit werde genügend Impfstoff zur Verfügung stehen. Den Veranstaltern macht sie Hoffnung. Wenn allen Bürgerinnen und Bürgern in Baden-Württemberg ein Impfangebot gemacht werden kann, müsse man ihrer Meinung nach „vollumfänglich öffnen“, sagt sie.

In die Stuttgarter Stille hinein hat der neue Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) erst ein Signal gesetzt: Er denke an ein Frühlingsfest light, hatte er unserer Zeitung gesagt. „Das habe ich ganz bewusst angesprochen, denn ich leide mit der Veranstaltungsbranche“, sagt der OB, der ebenfalls zugeschaltet ist. „Wir müssen Mut machen und Hoffnung geben.“ Nopper stellt der Gastronomie in Aussicht, auf die Gebühren für großzügig bemessene Freiflächen in dieser Saison zu verzichten. Die Wirtschaftsministerin nimmt den Ball auf. Sie werde sich dafür einsetzen, dass das Land mit seinen Flächen in der Stadt – etwa am Schlossplatz – ebenfalls großzügig verfahre.

Wenig Chancen für das Sommerfest

Das Signal kommt an, wie Wasenwirt Michael Wilhelmer und Sabine Wirblich, Vorsitzende der Schausteller und Marktkaufleute der Region, Bezirk Stuttgart, schildern. Auch wenn die Umsetzung schwierig sei. „Mein Telefon stand nach dieser Ankündigung nicht mehr still.“ Nach einem Umsatzverlust von 100 Prozent, der noch keineswegs bei allen durch die Ausgleichszahlungen für November und Dezember ausgeglichen sei, wäre man darüber sehr glücklich, sagt Wirblich.

Was ist mit dem Sommerfest? Andreas Kroll von in.Stuttgart sieht da wenig Chancen: „Wenn man an das übliche Gedränge beim Sommerfest denkt, ist das eigentlich unvorstellbar.“ Bärbel Mohrmann von Pro Stuttgart ist für den Herbst schon zuversichtlicher: Nachdem im vergangenen Jahr gerade mal eine Laube Zeichen für das sonst digital stattfindende Weindorf setzte, will sie in diesem Jahr 80 Lauben aufstellen können.

Die Veranstalter brauchen 80 bis 90 Prozent Auslastung

Sind Schnelltests die Lösung, um Theater und Konzerthäuser wieder voll bespielen zu können? Michael Russ, Geschäftsführer der Südwestdeutschen Konzertdirektion, verneint die Frage, ebenso wie seine Kollegen Christian Doll (C2 Concerts), Matthias Mettmann (Chimperator Live), Björn Schindler (Party Rent), Werner Schretzmeier vom Theaterhaus und Axel Preuß von den Schauspielbühnen: Der zeitliche Aufwand sei nicht zu bewerkstelligen. Vorstellungen und Konzerte wie im letzten Sommer mit einem Bruchteil des Publikums in halbleeren Häusern wieder aufzunehmen, sei ebenfalls nicht möglich: „Das rechnet sich nicht“, versichern alle. „Ich kann einem Drittel meines Publikums ja auch nicht nur ein Drittel der Leistung bieten“, rechnet Schretzmeier vor. „Wir brauchen 80 bis 90 Prozent Auslastung“ sagt Michael Russ. Als er vorrechnet, wie schnell mehr Menschen geimpft sein könnten, wenn endlich die Hausärzte mit eingebunden würden, ist ein gewisser Unmut über die jetzige unbefriedigende Situation in der Runde nicht zu überhören.

Bei Oberbürgermeister Frank Nopper kommt die Botschaft an. Es müsse jetzt mit Nachdruck geimpft werden, „damit das Kulturleben im Herbst wieder in vollem Umfang starten kann“.

Unter www.stzw.info/eventskann die Aufzeichnung der Gesprächsrunde von Donnerstag, 11. März, an, kostenfrei und jederzeit gestreamt werden.