Den Verwundeten von einst kann man im Muse-O in Lebensgröße begegnen. Foto: Jürgen Brand

Die neue Ausstellung im Muse-O in Gablenberg widmet sich Lazaretten im 1. Weltkrieg. Wo heute die Merz-Akademie und das Haus des Dokumentarfilms sind, war einst das wichtigste Lazarett der Stadt.

S-Ost - Der Kulturpark Berg neben dem Park der Villa Berg ist ein fast schon idyllisches Kultur- und Bildungsareal im Stuttgarter Osten. Vor 100 Jahren, im Ersten Weltkrieg, ging es dort allerdings alles andere als idyllisch zu. Das Garnisonlazarett oder „Reservelazarett Stuttgart I“ war in der Kriegszeit sozusagen die Zentrale aller Stuttgarter Lazarette. Der Historiker Ulrich Gohl, gleichzeitig Vorstandsmitglied des Museumsvereins Stuttgart-Ost (Muse-O), hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit diesem Thema beschäftigt und Material für eine Ausstellung zusammengestellt, das es so bisher noch nie zu sehen gab. Die Ausstellung in den Muse-O-Räumen, Gablenberger Hauptstraße 130, wird am Sonntag eröffnet.

Bis zu 200 „Leichtkranke“ im Wulle-Lazarett

Wo heute die Studierenden der Merz-Akademie büffeln oder – im Gebäudetrakt gegenüber – die Mitarbeiter des Hauses des Dokumentarfilms kreativ arbeiten, war von 1914 bis 1918 das zentrale Sanitätsdepot der Stadt. „Bis zu 465 Verwundete oder Kranke konnten hier gleichzeitig untergebracht werden“, heißt es auf einer der Ausstellungstafeln. „Fast 20 Ärzte, eine gleiche Zahl von Apothekern, rund 100 ,Krankenwärter’ und -schwestern, dazu über ein Dutzend Verwaltungskräfte und mehr als 30 Arbeiterinnen und Arbeiter vom Maschinisten bis zur Köchin und zur Wäscherin kümmerten sich um die Insassen.“ Viele andere Kriegskrankenhäuser wurden von dort aus mit Medikamenten versorgt, es gab Röntgenapparate und anderes medizinisches Gerät, auch „Hygienisch-chemische Untersuchungsstellen“. Neben vielen anderen Lazaretten war dem Garnisonlazarett beispielsweise auch das nahe Karl-Olga-Krankenhaus mit zehn Ärzten und 50 Krankenschwestern zugeordnet oder auch das Wulle-Lazarett im einstigen Brauerei-Saalbau an der Neckarstraße, wo bis zu 200 „Leichtkranke“ versorgt werden konnten.

Im Ersten Weltkrieg sind rund 10 000 Stuttgarter getötet worden, die Zahl der Verwundeten wird auf rund 20 000 geschätzt. Sie wurden in den zwölf Stuttgarter Hauptlazaretten und zahlreichen über die ganze Stadt verteilten Zweig- oder sogenannten Vereinslazaretten so gut es ging versorgt. Insgesamt gab es in der Stadt etwa 7000 Lazarettbetten.

Das Thema ist bisher kaum erforscht

Bei den Recherchen stellte Ulrich Gohl fest, dass das Thema kaum erforscht ist und dass es praktisch keine Literatur dazu gibt. Also musste er sich auf ganz unterschiedlichen Wegen Zugänge erarbeiten. Eine Möglichkeit war, auf Online-Verkaufsplattformen Postkarten zu kaufen, die damals zu Tausenden aus den Lazaretten verschickt wurden. In Alben geklebt oder groß auf Fahnen gedruckt, bilden sie einen Teil der Ausstellung. Die wichtigste Botschaft der Karten war für die Angehörigen: „Ich lebe noch!“

Gohl sichtete außerdem die Akten des damaligen Kriegsministeriums, die im Hauptstaatsarchiv zu finden sind. Sie waren seine wichtigste Forschungsquelle. In der Landesfilmsammlung des Hauses des Dokumentarfilms fand sich zudem ein Film aus der Zeit über einen Ausflug Verwundeter nach Esslingen. Leihgaben von Privatleuten und Museen – vom Operationsbesteck bis zur Trage – ergänzen die Ausstellung. Die Eröffnung ist am Sonntag, 8. April, um 15 Uhr, anschließend ist immer samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet (www.muse-o.de).