US-Präsident Donald Trump feiert seinen Triumph: der neue US-Verfassungsrichter Brett Kavanaugh im Weißen Haus. Foto: AP

Eine konservative Bewegung in den USA wehrt sich gegen Übertreibungen von Feministinnen. Ihr unwahrscheinlicher Held: der neue Verfassungsrichter Kavanaugh.

Stuttgart/Washington - Der Kulturkampf um die Berufung des konservativen Richters Brett Kavanaugh zum neuen Verfassungsrichter dauert an. Stimmen aus dem konservativen Lager, die Männer immer wieder zu Unrecht unter Verdacht sehen, holen zum Gegenschlag aus. So twitterte Laura Ingraham, Moderatorin beim rechten US-Sender „Fox News“ im Umfeld der Kavanaugh-Anhörungen, wenn sich Konservative nun darauf konzentrierten, den Mangel an Beweisen in der Aussage der Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford herauszuarbeiten, könnte zum „#YearoftheMan“, das Jahr des Mannes, einläuten. Blasey Ford hatte den Richter beschuldigt, er habe sie vor 36 Jahren in der Highschool sexuell attackiert, was er kategorisch bestritt.

„Das ist die Welt, in der wir heute leben, in der weiße Männer für schuldig gehalten werden, weil sie weiße Männer sind, weil sie angeblich in einer privilegierten Position sind“, sagte der Autor und Podcaster Ben Shapiro ebenfalls bei „Fox News“. Außerdem formieren sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Hashtag „#HimToo“ all diejenigen, die Männer unterstützen, die in ihren Augen unschuldigerweise eines sexuellen Übergriffs beschuldigt wurden.

Kavanaugh die Antwort auf MeToo

Lange war die Rolle des konservativen Vorkämpfers gegen die wahren oder vermeintlichen Exzesse der gegen sexuelle Belästigungen kämpfenden „MeToo“-Bewegung in den USA unbesetzt. Doch seit den Anhörungen vor Millionen US-Fernsehzuschauern verkörpert der erzkonservative Jurist Kavanaugh die Antwort auf „MeToo“. Mag sein, dass er es mit seiner umstrittenen Wutrede, die er offenbar mit dem Weißen Haus abgestimmt hatte und vom Blatt ablas, auch darauf anlegte. „Wenn jeder Amerikaner, der Bier trinkt oder jeder Amerikaner, der in der Highschool Bier trank, plötzlich eines sexuellen Übergriffs für schuldig befunden wird, dann wird dieses Land ein hässlicher neuer Ort“, hatte er mit kulturkämpferisch eingefärbter Rhetorik vor dem Senat verkündet und damit geschickt von den Vorwürfen abgelenkt.

„Jede Bewegung löst eine Gegenbewegung aus“, erklärt der USA-Experte Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies. Zumal die Mahnung von Susan Collins zutreffend sei: Bei Mangel an Beweisen sollte die Unschuldsvermutung gelten, auch wenn es sich bei dem Opfer um eine Frau handele, begründete die republikanische Senatorin aus Maine, weshalb sie am Ende trotz Zweifeln für Kavanaugh gestimmt habe. „Die Beschuldigungen sollten nach unseren Standards wenigstens die Schwelle eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich haben“, meinte sie.

Trumps Wahlkampfstrategie

US-Präsident Donald Trump beschwört die Gefahr der „#MeToo“-Bewegung für Männer und will so seine Anhänger für die Kongresswahlen mobilisieren. „Es ist eine sehr beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika, wenn man für etwas für schuldig gesprochen wird, an dem man gar nicht schuldig ist“, hatte er vergangene Woche gesagt. Doch falsche Anschuldigen sind Studien zufolge selten.

Bei seiner überwiegend weißen und männlichen Basis trifft er dennoch einen Nerv. „Unter weißen Männern herrscht der Eindruck, dass viele Dinge gegen sie laufen“, meint Thunert zum Verhältnis der Geschlechter, aber auch mit Blick auf den Verlust von Arbeitsplätzen. „Weiße Männer aus der Unter- und Mittelschicht fühlen sich nicht privilegiert.“ Laut Umfragen sorgte Trumps Offensive dafür, dass die Unterstützung Kavannaughs in republikanisch dominierten Staaten zunahm. Vielleicht wurden Trump-Wähler schon 2016 nicht trotz, sondern gerade wegen der Kontroverse um sein frauenfeindliches Verhalten an die Wahlurnen getrieben, mutmaßt der demokratische Wahlkampfstratege Brian Fallon in der „Washington Post“.

Der Vorwurf von „#HimToo“, dass Männer – Väter, Brüder und Söhne – Risiko laufen, zu Unrecht einer Sexualstraftat bezichtigt und an den Pranger gestellt zu werden, rührt an Urängsten. Doch Trumps Vorgehen, das viele Frauen vor den Kopf stößt, bleibt eine riskante Wahlkampfstrategie.