Arbeit statt Rente: Cornelius Wandersleb hat seine Rente um ein Jahr verschoben, denn sein Baby, das Kulturhaus Schwanen in Waiblingen, liegt ihm sehr am Herzen. Nun aber läuft die Suche nach einer Nachfolge.
Wenn es einen Menschen noch Monate nach dem Beginn der Rente Tag für Tag an den Arbeitsplatz zieht, dann muss das wohl Liebe sein. In der Tat ist das Kulturhaus Schwanen ein Herzensprojekt für Cornelius Wandersleb, der das soziokulturelle Zentrum unter der Trägerschaft der Stadt Waiblingen seit rund 23 Jahren leitet. Der 66-Jährige ist eigentlich seit Oktober vergangenen Jahres Rentner, arbeitet aber bis Ende September weiter. Weil er die schwierige Zeit nach Corona noch erleben und das Kulturhaus und sein Team beim Neustart begleiten will. Die Suche nach einem Nachfolger, einer Nachfolgerin, läuft – die Bewerbungsfrist endet am Samstag, 13. Mai.
Ein Haus, das offen ist für alle Bürgerinnen und Bürger und das, was sie umtreibt, so hatte sich Cornelius Wandersleb das Kulturhaus, das im Mai 2000 eröffnet wurde, gewünscht. Und schließlich steht das Gebäude, das vom Jahr 1774 an ein Wirtshaus nebst Brauerei beherbergte, nur noch deshalb, weil die Bürgerschaft einst gegen seinen Abriss aufbegehrte. Lange Zeit war das altehrwürdige Gebäude auf der Schwaneninsel Treffpunkt für Vereine, Theaterabende, Hochzeiten und Erste-Hilfe-Kurse. Zuletzt diente es als Unterkunft für Asylbewerber.
Die Bürger wehrten sich gegen den Abriss
„Der Wunsch der Bürgerschaft war, dass der Schwanen stehen bleibt und der Kultur dient“, sagt Cornelius Wandersleb, der die Angelegenheit damals interessiert vom obere Remstal aus verfolgte. Er selbst gestaltete zu dieser Zeit das Programm in der Manufaktur in Schorndorf mit und hatte dort mit seiner Frau Gabi und Otto Alder das Kino Kleine Fluchten gegründet. Die Waiblinger Stadtverwaltung sei zunächst der Auffassung gewesen, dass das Kulturhaus ehrenamtlich betrieben werden könne, erinnert sich Wandersleb: „Das funktionierte 1968 noch, aber später war das illusorisch.“
Ende des Jahres 1999, vier Monate vor der Eröffnung, habe man dann kalte Füße bekommen und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, das neue Haus zu leiten. Cornelius Wandersleb sagte ja. „Unter der Bedingung, dass ich programmatische Freiheit habe.“ Die wurde ihm zugesagt, und er legte im Januar 2000 los. Der heutige Schwanensaal stand noch nicht zur Verfügung, er kam erst später dazu. Auch eine Gastronomie war ursprünglich nicht vorgesehen – im nicht weit entfernten Bürgerzentrum, hieß es, gebe es ja ein Lokal. Die letztlich doch eingerichtete Sputnik-Bar war nicht das Gelbe vom Ei, wurde aber erst 2017 grundlegend umgebaut, mit einer neuen Innenausstattung versehen und startete unter dem Namen Fidels Fritz dann endlich erfolgreich durch.
Ein Start als Einzelkämpfer
Angefangen hat Cornelius Wandersleb als – immerhin festangestellter – Einzelkämpfer, unterstützt von einem Kollegen mit 50-Prozent-Stelle: „Ein Viertel war für eine Hausmeistertätigkeit vorgesehen, das andere Viertel für den Getränkeverkauf.“ Eine Bühne samt Licht- und Tontechnik hat der frischgebackene Kulturhausleiter mit Hilfe eines freien Technikers im Schwanen installiert. Dann fanden Konzerte statt – mit 200 Besuchern, aber ohne eine Lüftung.
Mittlerweile schmeißen fünf Hauptamtliche den Laden, unterstützt werden sie von elf 450-Euro-Kräften, die an der Kasse oder bei der Technik helfen, aber auch neue Veranstaltungsformate wie die junge Konzertreihe „Kult!ufer“ entwickeln. „Das Team ist sehr wichtig“, betont Cornelius Wandersleb, der überzeugt ist, dass das Kulturhaus nach außen ausstrahlt, was im Inneren gilt: keine Hierarchien, wenig Stress, dafür Muße und familienfreundliches, flexibles Arbeiten. „Man fühlt sich hier einfach wohl“, sagt der Kulturhausleiter, der davon überzeugt ist, dass Integration über Kultur gelingen kann. „Gute kulturelle Arbeit ist soziale Arbeit, und gute soziale Arbeit ist kulturelle Arbeit.“ Der Schwanen, sagt dessen Leiter, sei teils Freizeitcenter für Unterhaltung und Amüsement, aber auch eine Bildungseinrichtung, die kulturelle Offenheit fördere, das Interesse am Fremden wecke und nicht zuletzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, denn der nehme stetig ab. Akzeptanz von Vielfalt – darum geht es auch bei der Jugendkulturwoche „Bunt statt Braun“, die im Juli zum 18. Mal mit Workshops, Vorträgen, Fortbildungen und Theaterstücken für das Thema Rassismus sensibilisieren will.
Salsa, Tango, Menschenrechte und mehr
Im Schwanen spielt freitags eine US-amerikanische Band Klassik, Weltmusik und Jazz, samstags legt DJ Andy Rock und Pop für Gäste über 40 auf, zeigt ein Künstler mit Wurzeln im Remstal seine moderne Kunst, tritt der schwäbische Komiker Uli Keuler auf, stehen Nachwuchstalente auf der „Open Stage“ erstmals im Rampenlicht. Das alles wird aus einem Veranstaltungsbudget von 110 000 Euro finanziert.
Im Kulturhaus treffen sich die Mitglieder der Menschenrechtsgruppe, die Aktivisten von Pro Velo und die SPD-Frauen, Tanzbegeisterte lernen Salsa und Tango. „Initiativen, Vereine und bürgerschaftliche Gruppen können das Haus unkompliziert und günstig nutzen“, sagt Wandersleb. Das solle auch so bleiben. Er selbst bleibt bis Ende September, sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin tritt Anfang Oktober an.
„Für mich ist wichtig, dass der Übergang trotzdem gut klappt“, sagt er, falls gewünscht, stehe er – Rente hin oder her – auch dann noch für Fragen zur Verfügung.