Im Gasometer, das der Unternehmer Wolfgang Scheidtweiler umgebaut hat, kann man ein riesiges Panorama Roms im Jahr 312 betrachten – aber nur noch bis zum 9. November 2018. Dann folgt das Great Barrier Reef zum Abtauchen. Foto: T. Schulze

Die Stadt verzichtet auf eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt, obwohl Firmen alles bezahlt hätten – eigentlich.

Pforzheim - Wolfgang Scheidtweiler ist Brauer, Hotelier, Gastronom – und ein großer Fan von Pforzheim. Seit fast 50 Jahren lebt der 71-jährige gebürtige Rheinländer in der Stadt und tut vieles, um dem notorisch schlechten Ruf Pforzheims abzuhelfen. Zuletzt hat er der Stadt die defizitäre Eislaufhalle abgekauft und aufgemöbelt, schon vor drei Jahren gestaltete er das alte Gasometer zu einem riesigen Gesamtkunstwerk um, das jährlich 200 000 Besucher anlockt.

Jetzt wollte er den aus seiner Sicht ganz großen Coup landen: Pforzheim sollte im Jahr 2025 Kulturhauptstadt Europas werden und dadurch einen gewaltigen Aufschwung in Kultur, Wirtschaft und Image erleben. Scheidtweiler und andere Pforzheimer Unternehmer wie Philipp Reisert und Eugen Müller hätten garantiert, dass die chronisch klamme Stadt keinen einzigen Euro hätte bezahlen müssen – ein beispielloses Angebot. Doch der Gemeinderat hat am Dienstag das Projekt nach langer hitziger Debatte beerdigt – mehr als zwei Drittel der Stadträte quer durch fast alle Fraktionen entschieden sich gegen eine Bewerbung.

Dutzende Millionen von Euro wären in die Stadt geflossen

Mittlerweile geht es der EU bei ihrer Ausschreibung zur Kulturhauptstadt nicht mehr darum, dass eine Stadt einen Sommer lang möglichst viel Theaterrummel veranstaltet – vielmehr wird der Titel als Infrastrukturprogramm betrachtet, das vor allem finanziell gebeutelten Städten eine Vision und eine Chance eröffnen soll. Auf Pforzheim würde das passen wie der Deckel auf den Topf, sagte die SPD-Stadträtin Dorothea Luppold, eine der glühendsten Befürworterinnen. Bei dem zu erwartenden Geldfluss in die Stadt kann einem auch schummrig werden. Von 35 Millionen Euro an Kosten geht Pforzheim aus, davon wären aber bis zu drei Viertel Zuschüsse von EU, Bund und Land. Hätten andere Städte und Landkreise um Pforzheim mitgemacht, wäre vermutlich eine geringe einstellige Millionensumme an der Stadt hängen geblieben – diesen Betrag hätten Scheidtweiler & Co. übernommen.

Doch dann kam alles ganz anders. Aus einem erneuten Gespräch mit dem Kulturmanager und Kulturhauptstadtexperten Ulrich Fuchs ergaben sich zwei Hiobsbotschaften. Erstens darf eine Stadt in der Bewerbungsphase keine Kürzungen am Kultur- oder Sozialetat vornehmen; das aber plant Pforzheim. Und zweitens muss eine Stadt eigenes Geld einbringen; alles andere würde ihr als mangelndes Engagement ausgelegt. „Wir können es uns aber nicht leisten, Millionen auszugeben“, stellte der Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) klar. Viele Gegner des Kulturhauptstadt-Idee pflichteten ihm bei: Solange man Löcher in Turnhallen mit Säcken stopfen müsse, könne man nicht große Summen für Kultur ausgeben. Heftige Kritik gab es am Regierungspräsidium, dass signalisiert habe, keinerlei Kulanz bei der rigorosen Etatkonsolidierung zu gewähren, Kulturhauptstadt hin oder her.

Bürgermeisterin widerspricht öffentlich OB Boch

Bis zum kommenden Herbst hätte man Zeit gehabt, ein gutes Konzept vorzulegen. Bisher bewerben sich sieben deutsche Städte um die Ausrichtung, darunter vier aus Ostdeutschland. Derzeit sind Valetta (Malta) und Leeuwarden-Friesland (Niederlande) europäische Kulturhauptstädte.

Das Thema hat in Pforzheim die Verwaltung und den Gemeinderat zerrissen. OB Boch war zuerst dagegen gewesen, dann nach der Zusage der Unternehmer dafür, jetzt ist er wieder dagegen. In öffentlicher Sitzung hat ihm die Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler erneut heftig Kontra gegeben. Im Gemeinderat stimmten CDU und SPD uneinheitlich ab, wobei der SPD-Stadtrat Henry Wiedemann, der gegen die Bewerbung ist, öffentlich die Kollegin Luppold für deren Pro-Statement schalt. Am Ende gab es nur lange Gesichter.

Und was sagt Wolfgang Scheidtweiler dazu? Trotz der Absage verlor er seinen rheinischen Frohsinn nicht. „Das ist schade, aber dann habe ich eben wieder mehr Freizeit für meine anderen Projekte“, meinte er nur. Von seinen Bemühungen, Pforzheim attraktiver zu machen, werde er sich dennoch nicht abbringen lassen.