„Bekannt hier, die Evolution?“ Im pietistisch geprägten Korntal fragt Kabarettist Stefan Waghubinger vorsichtshalber nach. Foto: factum/Jürgen Bach

Ist da irgendwo ein Nest? Es scheint fast so. Der Korntal-Münchinger Stadtteil Korntal ist Heimat mehrere hochkarätiger Künstler. Das bringt Kabarettist Stefan Waghubinger zum Philosophieren und Entertainer Roland Baisch zum Singen.

Korntal-Münchingen - Roland Baisch, Entertainer: Kleinkunstpreis-Gewinner. Veit Hübner, Jazzer: Kleinkunstpreis- und Jazzpreis-Gewinner. Stefan Waghubinger, Kabarettist: Kleinkunstpreis-Gewinner. Gaby Pas-Van Riet, Querflötistin: Wettbewerbs-Preisträgerin und Hochschulprofessorin. Die nachgerade inflationäre Zahl an Hochkarätern im Zentrum des Stuttgarter Bibel-Gürtels charakterisiert Roland Baisch in maßgeschneidert sakraler Rhetorik. „Korntal ist gebenedeit mit Künstlern“, stellt er fest. „Das muss an der Ermangelung eines Korntaler Nachtlebens liegen. Das lässt die Künstler zuhause sitzen und kreativ werden.“

Die verblüffende Dotierten-Dichte lässt die Korntaler dann selbst ein bisschen staunen am Samstagabend. Da geben sich die Kleinkunst-Größen beim musikalisch-kabarettistisch-artistischen Schaulauf in der Stadthalle die Klinke in die Hand: Die Kulturreferentin Melanie Thamm-Beck trommelte die illustre Schar für den „Korntaler Kulturgipfel“ anlässlich der 200-Jahr-Feier von Korntal zusammen. Dass die Künstler angesichts voller Tournee-Kalender auf einen gemeinsamen Termin festgenagelt werden konnten, grenzt an ein kleines Wunder: Auch wenn sie die Tatsache eint, in Korntal aufgewachsen zu sein, dort zu leben oder einmal gelebt zu haben, bewegen sie sich normalerweise doch in anderen Sphären.

Adam, Eva, Darwin

Was nicht heißt, dass sie aus gegebenem Anlass nicht immer wieder die Kurve zu Korntal kriegen. Bei einem Bibel-Exkurs schwenkt der köstliche Kabarettist Stefan Waghubinger zur Schöpfungsgeschichte: „Damals in Korntal hat man ja an Adam und Eva geglaubt. Heute glaubt man an die Evolution.“ Stille. „Ist bekannt, die Evolution?“ Pause, vereinzelte Lacher. „Also, dass alles Leben durch Zufall und Notwendigkeit entstanden wäre. Aber das ist ja auch nicht immer leicht zu glauben, oder?“ Schweigen, leises Kichern. „Aber Sie werden mir doch zustimmen: Es gibt Menschen, bei denen vorstellbar ist, dass sie durch Zufall entstanden sind. Aber notwendig waren sie nicht!“

Da lacht es sich bei der in Frank-Sinatra-Manier hingeschmachteten Hymne „Korntal is my lady“ von Roland Baisch – der im örtlichen Gymnasium mit Günther Oettinger beim sächselnden Englisch-Lehrer die Schulbank drückte („Da konnte ja nichts aus dem Englisch werden“) – schon auf etwas weniger vermintem Gelände.

Dergestalt gelockert, können die Korntaler Zuschauer später sogar über die Kunststoff-Brüste mit rotierenden Propellerchen von Vanessa Lee Baisch schmunzeln, der aus Berlin angereisten, mit Hüten jonglierenden Zirkusartistin und Tochter von Roland Baisch. Zu einer famos interpretierten Jazz-Suite von Claude Bolling mit Gaby Pas-Van Riet (Flöte), Veit Hübner (Bass) und Bobbi Fischer (Piano) zaubert die Korntaler Künstlerin Adelheid Kreisz poetische Schattentheater-Bilder auf Großleinwand.

Mit Berta Epple auf den Kulturgipfel

Vollends zur Sternstunde macht den Abend Berta Epple, die Formation, bei der sich zu Bobbi Fischer und Veit Hübner dessen Bruder, der furiose Jazz-Geiger Gregor Hübner, gesellt. Wie das mit dem baden-württembergischen Kleinkunstpreis 2019 geehrte Trio sprühende Musikalität mit witzigen, aber sozialkritisch-hintergründigen Texten vereint, ist hinreißend. Und tut ein Übriges dazu, dass der Titel „Kulturgipfel“ nicht zu hoch gegriffen ist.