Seit 2014 residiert das Varieté auf dem Pragsattel. Foto: Alex Klein

Neuer Rettungsanker für das Friedrichsbau-Varieté: Von 2018 an gehört es zum Kreis der Kultureinrichtungen, die institutionelle Förderung erhalten. Das war einmal ganz anders vorgesehen.

Stuttgart - Städtische Regelförderung für das Varieté? Noch vor wenigen Monaten bekundete der eine oder andere Stadtrat seine Abneigung. Vor ein paar Jahren, als dem im Friedrichsbau gekündigten Varieté eine neue Bleibe verschafft werden musste, hatten Verwaltung und Stadträte ihm zwar mancherlei Nothilfen gewährt, aber eine Dauerförderung auf breiterer Front abgelehnt. Seit Montag sieht es anders aus.

Bei der zweiten Lesung des Haushalts 2018/2019 entschied der Verwaltungsausschuss, das Friedrichsbau-Varieté in die institutionelle Kulturförderung zu nehmen und ihm 100 000 Euro jährlich zu geben. Am 15. Dezember muss – reine Formsache – der Gemeinderat noch zustimmen. Das Varieté darf sich dann geadelt fühlen und auf Dauerförderung hoffen, wenngleich so ein Beschluss bei künftigen Beratungen wieder auf den Prüfstand gestellt werden könnte.

Die Verwaltung war bis zuletzt standhaft geblieben. In einer Beschlussvorlage erinnerte sie an den Kurs im Jahr 2014 – und an all das, was man schon für das Varieté getan hat. Auf städtischem Gelände neben dem Theaterhaus durfte eine Halle errichtet werden. Man überließ das Gelände gratis bis Ende 2019 (geldwerter Vorteil: 62 400 Euro pro Jahr). Man gewährte auch einen einmaligen Investitionszuschuss von 450 000 Euro und – weil der Hallenbau teurer wurde – ein Darlehen über 475 000 Euro mit fünf Jahren Laufzeit. 2015 und 2016 sollten noch nicht Zins und Tilgung greifen (Zinsvorteil für das Varieté: 14 250 Euro pro Jahr). Zudem spendierte die Stadt als Sonder-Betriebskostenzuschuss im schwierigen Umzugsjahr 2014 einmalig 145 000 Euro.

Erst 2020 muss das Varieté seine Schulden bei der Stadt tilgen

Grundlage sei damals gewesen, so die Verwaltung, dass auch die Varieté-Macher einen laufenden Zuschuss für unnötig erklärt hätten. Trotzdem lag nun ein Antrag auf Förderung mit je 120 000 Euro pro Jahr vor. Fünf Fraktionen griffen das auf und beantragten mehr oder weniger Geld: die Freien Wähler mit 80 000 Euro pro Jahr am wenigsten, die SPD mit 120 000 Euro pro Jahr am meisten, allerdings vorerst klar limitiert bis Ende 2019. Mehrheitsfähig waren Anträge von CDU und Grünen: je 100 000 Euro. Mit der Gratisnutzung des Grundstücks und der von 2016 bis Ende 2019 verlängerten Zinsbefreiung erhält das Varieté von der Stadt in den Jahren 2018 und 2019 sogar insgesamt je 176 650 Euro.

Bei der ersten Lesung des Haushalts hatten die Stadträte noch etwas gezögert. Grund: Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, sich das 475 000-Euro-Darlehen von 2018 an innerhalb von sechs Jahren zurückzahlen zu lassen. Der Schuldendienst von jährlich 87 700 Euro hätte dann aber die von den Fraktionen angepeilte neue Förderung fast komplett aufgefressen. Nach einigem Grübeln beschlossen die Stadträte nun, die Tilgung solle erst 2020 einsetzen, das Darlehen aber binnen fünf Jahren, bis Ende 2024, zurückfließen. Annuität: 104 000 Euro.

Dass man mit diesem Ja zur institutionellen Förderung von üblichen Gepflogenheiten abweichen würde, erkennen die Befürworter nicht. „Das ist kein Sündenfall“, sagt Jürgen Sauer (CDU). Als einzige dauerhafte Einrichtung dieser Art in Stuttgart, zudem seit drei Jahren gemeinnützig, erfülle das Varieté die Voraussetzungen. Die CDU meint wie andere Fraktionen, die Einrichtung leiste gute Arbeit, arbeite mit Nachwuchskünstlern und Behinderten und bemühe sich sehr um Einnahmen. Zudem gebe es Nachholbedarf bei Löhnen und Gehältern sowie die Notwendigkeit, den Ausverkauf des Personals zu stoppen. Nach dem umzugsbedingten Absturz der Besucherzahl von 70 000 auf 50 000 seien jetzt wieder gut 60 000 erreicht. Betont wird, auch, das Varieté setze eine große Tradition fort.