Gerald Friese Foto: Georg Linsenmann

Im Bülow-Tower trifft das Funktional-Technische auf eine andere Welt. Das ist der Kern des Konzepts.

S-Nord -
Literatur als Lockmittel für bildende Kunst – das ist ungewöhnlich. Aber ungewöhnlich ist so manches an der „Kunst im Turm“. Und dafür steht Joachim R. Maxwitat. Dass im schmucken gläsernen Hochhaus-Zylinder auf attraktiver Halbhöhe die Kunst ein Plätzchen hat, war seine Idee. Maxwitat ist einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern der PUT, der Planungsgesellschaft für Umwelttechnik. Die PUT, vor sechs Jahren in den Tower gezogen, baut nicht zuletzt Kraftwerke aller Art, mal abgesehen von atomaren.

Auch die Kunst hält der Ingenieur für eine Kraftquelle: „Ich bin überzeugt, dass neben all dem Funktional-Technischen, mit dem wir uns beschäftigen, noch etwas anderes existieren muss“, sagt er. „Das ist ein Bedürfnis des Menschen, und das spiegelt sich in der Kunst.“ So entstand die Idee, die „schönen weißen Wände“ entsprechend zu nutzen: „Wir stellen einem Künstler eine Plattform zur Verfügung, für jeweils ein Jahr“, erklärt Maxwitat. „Er hat keine Kosten, hat jederzeit Zugang und kann sich wie in einer Art Galerie präsentieren. Und am Ende kaufen wir ihm auch etwas ab.“

Kunst und Arbeit und Alltag können sich durchdringen

Joachim R. Maxwitat glaubt zudem, dass sich Kunst und Arbeit und Alltag durchdringen können: „Ich freue mich jeden Tag, wenn ich die Werke sehe. Mich begeistert das Freie in der Kunst. Ich werde davon inspiriert“, bekennt er. Zudem wisse er aus Erfahrung, dass das auch auf Geschäftspartner positiv wirke.

Das setzt freilich eine gewisse Qualität der künstlerischen Arbeiten voraus. Und die soll Marlis Weber-Raudenbach garantieren. Die Stuttgarter Künstlerin hatte 2007 den Reigen der Ausstellungen eröffnet und kuratiert seitdem, wer auf den Etagen sechs und sieben die beiden Wandelgänge im Kern des Gebäudes, um den sich die Büroräume zur gläsernen Außenhaut hin strahlenförmig gruppieren, bespielen darf: „Das hier ist kein Platz für Hobbyisten“, betont Marlis Weber-Raudenbach, „und die Kunst ist hier nicht bloße Deko. Kunst wird hier ernst genommen, der Künstler wird intensiv unterstützt.“ Eine Art Künstlerpflege? „Ja, und zwar eine sehr willkommene Form der Künstlerpflege“, sagt die Kuratorin. „Das gibt es nur noch selten. Lebende Stuttgarter Künstler haben es in Stuttgart nicht einfach.“

Eine Premiere mit listigem Unterfangen

Zum Konzept gehört neuerlich auch, „zwischendurch etwas zu machen“, wie Maxwitat sagt. Daher also die aktuelle Premiere mit dem listigen Unterfangen, mit einem „Zwischen-Event“ den Arbeiten von Fritz Arnold noch einmal einen Schub an Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das ist offensichtlich geglückt. Mehr als hundert Neugierige kamen und blieben volle drei Stunden. Für Gerald Frieses launige Literatur-Häppchen am Anfang und die ordentliche Strecke humoristisch-hintersinniger Literatur am Schluss, die der Stuttgarter Schauspieler mit Charme und fabelhafter Vortragskunst servierte. Dazwischen eine Erfrischung und viel Bewegung auf zwei Etagen. Zeit für die Kunst, Zeit für Gespräche, Zeit für Gespräche über Kunst – und Fritz Arnold mittendrin.

Sichtlich animiert vom starken Interesse, ließ der Künstler Arnold nicht nur mit seinen kinetischen Skulpturen die Puppen tanzen, sondern gab auch bereitwillig Auskunft. Etwa über den komplizierten Malprozess seiner vielschichtigen Arbeiten in Acryl. Kraftvolle, vielschichtige Abstraktionen von Landschaft, Wolken und Wasser. Menschenleere Farbräume von spannungsvoller Archaik.

Ganz von alleine versteht sich die Serie namens „Schuhfetischisten“. Kolorierte Zeichnungen, mit wunderbar freiem, leichtem, absolut sitzendem Strich. Voller Schwung und Witz und mit einer ordentlichen Prise Erotik: eine rundum prickelnde Sache, diese Premiere im Tower.