Die Künstlerin Agnes Roller setzt Farbe nur sehr dezent ein, ihr geht es vorrangig um Formen und Strukturen. Foto: Sabine Schwieder

Für das gesammelte Material aus dem eigenen Garten baut Agnes Roller große und kleine Räume aus Verpackungsmaterialien, die mal freundlich, mal bedrohlich wirken. Derzeit ist in der Mitgliederausstellung des Kunstvereins ihr Wandobjekt „verwurzelt“ zu sehen.

Vaihingen - Agnes Roller gehört zu den wenigen Künstlern, die nicht davor zurückschrecken, bereits fertige Arbeiten noch einmal zu überarbeiten. Manchmal bereut sie ihre Tat, doch meist entsteht dadurch etwas Neues, das sie faszinierend findet. „Es ist wie ein Spiel“, sagt die 68-Jährige, die aus Verpackungsmaterialien große und kleine Räume schafft und sich gern von den Gewächsen in ihrem Garten in Stuttgart-Vaihingen anregen lässt.

Manches wirkt bedrohlich

Derzeit ist in der Mitgliederausstellung des Kunstvereins Kultur am Kelterberg ihr Wandobjekt „verwurzelt“ zu sehen, das die beiden Bereiche ihres künstlerischen Schaffens vereint. Die Wurzeln, die sie aus alten Schachteln durch eine Wachsschicht in die Tiefe ragen lässt, könnten für die Jugend stehen, die das geschützte Elternhaus verlässt und neue Wege gehen will. Doch freundlich sind die Räume, die Agnes Roller aus Verpackungen aller Art schafft, nicht immer. Manches, wie der „Dunkle Raum“, mit dem sie bei einer früheren Mitgliederausstellung zu sehen war, kann auch bedrohlich wirken. Das sei viel reizvoller, findet Roller.

Moderne Klassik als Inspiration

Wie so viele Frauen ihrer Generation hätte sie gerne einen kreativen Beruf ergriffen, doch ein Kunststudium war in ihrer Jugend keine Option. So landete sie zunächst als Sachbearbeiterin im Büro, und erst als die Kinder kamen, gab es wieder mehr Möglichkeiten, sich dem Malen und Zeichnen zu widmen. Zunächst in Kursen, dann mehr und mehr im eigenen Heim entstanden ihre charakteristischen Aquarelle und Acrylbilder. „Das Sehen verändert sich, wenn man sich mit Kunst beschäftigt“, sagt Agnes Roller, „man entdeckt irreale Dinge, achtet auf Farbe, Formen und Strukturen.“ Auch die Musik – beide Kinder sind beruflich musikalisch unterwegs – dient ihr als Inspiration. „Nicht unbedingt Mozart“, sagt die Vaihingerin: so wie sie von Anfang an kein Interesse an gegenständlicher Malerei hatte, so gefällt ihr eher die moderne Klassik eines Helmut Lachenmanns.

Ein Ort der Aufbewahrung

Eines Tages malte sie aufplatzende Erbsenschoten – und entdeckte die Dreidimensionalität und die Objektkunst für sich. Anfangs gestaltete sie ihre kleinen und großen Räume selbst, später verarbeitete sie Schachteln oder Eierboxen. Fügte sie zusammen, sodass sie eine Art Stadt bildeten, oder füllte sie mit Fundstücken aus dem Garten. Es sei ihr dabei egal, ob ein Zweig von einer Eiche, einer Buche oder einem Holunder stamme: entscheidend sei die Form, die Bewegung, die mal geradlinig, mal bizarr sein könne. Sammeln, so sagt sie, habe auch immer mit Ordnen zu tun: „Die Pflanzen, die mich interessieren, brauchen einen Ort der Aufbewahrung.“

Gefährliche Dornen

Der an seiner Spitze golden übermalte Dornenzweig einer Schlehe zum Beispiel, der in einem überwiegend grau gehaltenen Kasten wie ein Schmuckstück präsentiert wird, ist dafür ein gutes Beispiel. Für die großzügige Verwendung von Farbe kann sich Agnes Roller nämlich nicht begeistern, bei ihr werden Grau, Hellbraun und Schwarz nur wenig um Buntes ergänzt. Das Gold scheint hier nur ein Lichtreflex, warmes Sonnenlicht. So wirken ihre Arbeiten überwiegend schlicht und dezent, sie drängen sich nie in den Vordergrund. An den Dornen – zurzeit sammelt sie vor allem Rosendornen – gefällt der Künstlerin das Gefährliche, das Abweisende und Wehrhafte. Manche ihrer Arbeiten wirken wie ein Traum, in dem man einen dunklen Raum betritt, dem Ungewissen entgegen.