So unbedarft wie bei der Weltmeisterschaft 2010 werden Fans in diesem Jahr wohl nicht feiern. Foto: © C) Gottfried Stoppel

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar stößt auch bei Fans nicht auf bedingungslose Gegenliebe. In der Kultkneipe „Zom Täle“ in Urbach gibt es deshalb ein Kontrastprogramm mit Livemusik. Im Schützenhaus in Korb hingegen gibt es Public Viewing.

Michael Rapp, der Wirt der Kultkneipe „Zom Täle“, ist ein ausgemachter Liebhaber des rollenden Balls. Dennoch hat er sich entschieden – anders als bei vorhergegangenen Fußball-Weltmeisterschaften – kein Spiel aus Katar zu zeigen. Unter dem Motto „Kultur kickt Katar“ hat er zusammen mit Lennard Volk und Frank Eppel, beide ebenfalls eigentlich Fußballfans, ein musikalisches Kontrastprogramm auf die Beine gestellt. Immer wenn die deutschen Kicker in der Vorrunde in dem Scheich-Reich der Kugel hinterherjagen und – ob mit oder ohne deutsche Beteiligung – ab dem Viertelfinale stehen in Urbach Bands auf der Bühne. Mit ihrem Boykott der WM stehen die drei nicht allein da, wie das vergangene Wochenende gezeigt hat. Denn in den Fankurven in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga bot sich ein Bild der Einigkeit: „Boycott Qatar“ war überall auf großen Bannern zu lesen.

Hohn in Zeiten des Klimawandels

Michael Rapp, der Täles-Wirt, nennt viele gute Gründe für den Verzicht von Public Viewing bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft. Zum einen dürfe Katar schon aus ökologischen Gründen keine Weltmeisterschaft ausrichten. „Dass die Stadien gekühlt werden müssen, ist ein Hohn in Zeiten des Klimawandels.“ Zum anderen wollen die Urbacher deutliche Zeichen setzen gegen die Unterdrückung politischer und religiöser Gruppen, gegen Frauenfeindlichkeit, die Verfolgung von LGBT-Minderheiten sowie miserable Arbeitsbedingungen, mit unzähligen Toten unter den Bauarbeitern. Und weil ein Verzicht umso leichter fällt, wenn es gute Alternativen gibt, haben sie für die Weltmeisterschaft, die vom 21. November bis zum 18. Dezember dauert, ein abwechslungsreiches und hochwertiges Kulturprogramm in der Kneipe „Zom Täle“ auf die Beine gestellt.

Los geht es am Mittwoch, 23. November. Wenn die deutsche Nationalmannschaft im Khalifa International Stadium in ar-Rayyan westlich von Katars Hauptstadt Doha um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit ihr Auftaktspiel gegen Japan austrägt, legt DJ Rappi Rock-Klassiker zum „Kick off in den Boykott“ auf. Acht weitere Konzerte folgen bis zum Finaltag am 18. Dezember, unter anderem mit Under Pressure, der Queen-Tribute-Band, mit den Rockveteranen von Dr. Drunk’n Stoned, der Ralph Balou Widmann Band oder mit Calo Rappalo und Frank Mühlberger.

Die Bands spielen im Täle in Urbach übrigens ganz ohne Gage auf. Die politische Motivation hinter dem Boykott soll auch bei den Finanzen deutlich werden. Denn die Eintrittsgelder für die Konzerte, rund fünf Euro pro Ticket, wollen die Organisatoren ohne Abzüge an Amnesty International spenden. „Und wir werden auch einen Teil des Umsatzes an Amnesty weitergeben“, sagt Michael Rapp. „Wir wollen schließlich mit unserer Aktion auch ein deutliches Zeichen für Menschenrechte setzen“, sagt Lennard Volk.

Viele beteiligen sich am Katar-Boykott

Bundesweit beteiligen sich viele Lokale, Kneipen und Gaststätten am Katar-Boykott. In Stuttgart sind es beispielsweise das Schlesinger und der Maulwurf. Doch es gibt auch Gastronomen, die Winter hin oder her, den Fußballfans ein Public Viewing anbieten wollen. „Natürlich gibt es Pro und Contra, was die Vergabe der WM nach Katar anbetrifft, der ich durchaus auch kritisch gegenüberstehe“, sagt Matthias Hönes. Dennoch will der Wirt im Schützenhaus in Korb eine Großleinwand von 4,5 Meter auf 2,5 Meter aufbauen, Glühwein anbieten und Feuertonnen aufstellen – alles unter dem Motto „Remstaler Wald-WM“. „Das Ganze wird zudem recht weihnachtlich mit Deko, Tannenbäumen und ein paar Verkaufsständen.“ In Korb will sich Matthias Hönes auf die Spiele der deutschen Mannschaft konzentrieren. Aber auch in seinen CBC-Restaurants in Fellbach und Waiblingen würden die Spiele im Innenraum übertragen, sagt Hönes. Er habe die großen Fußballereignisse wie Europa- und Weltmeisterschaften immer übertragen, und in diesem Jahr, so der 56-Jährige, gebe es für ihn einen weiteren guten Grund für Public Viewing: „Die Gesellschaft ist seit der Coronapandemie so gespalten, deshalb will ich etwas für die Gemeinschaft tun.“

Extra Plattform für Events

Bundesweit gibt es gastronomische Betriebe, die wie die Kneipe „Zom Täle“ die Übertragungen boykottieren werden. „Ich weiß aber von keinem anderen Lokal im Rems-Murr-Kreis“, sagt Michael Rapp. Dabei hätten sich Lennard Volk, Frank Eppel und er gewünscht, dass sich mehr Kneipen der Idee anschließen. Es gibt sogar unter www.kultur-kickt-katar.de eine extra Plattform, auf der auch Events eingestellt werden können, die sich der Initiative anschließen.

„Wir glauben eben, dass die Verbände erst dann ihre Haltung ändern und Großereignisse nach akzeptablen Kriterien vergeben, wenn wir uns als Konsumenten verweigern. Auch wenn das nicht einfach ist“, sagt Michael Rapp. Aber genau deshalb gibt es ja „Kultur kickt Katar“. Die Resonanz unter seinen Gästen sei jedenfalls gut oder zumindest verständnisvoll gewesen, erklärt der Wirt. „Vielleicht zeigen wir zwischendurch ja sogar auch Fußball, allerdings sind das dann ausschließlich Ausschnitte von früheren Weltmeisterschaften.“