Frieder Bayer vor der Kulisse seiner Heimatstadt – beim Pflöcke einschlagen. Foto: Stoppel

Wer Waiblingen kennt, kennt Frieder Bayer: Mehr als zwei Meter groß, Rauschebart, Friedens- und Umweltaktivist, Stadtrat. Doch jetzt nimmt er seinen Hut – warum, lesen Sie hier.

Waiblingen - Wer Waiblingen kennt, kennt auch ihn: Frieder Bayer, engagierter Bürger, Ortschafts- und Gemeinderat, Umweltfreund, Mitbegründer der IHK-kritischen Gruppe Kaktus, Marktbeschicker, Friedensaktivist, Naturpädagoge, Land-Art-Fan, Pflanzenversteher und -sammler und nicht zuletzt Verfechter des Salatbaums. Ein Bär von einem Mann: gut zwei Meter groß, mit einem mal mehr, mal weniger wilden Rauschebart und einer grauen Löwenmähne. Einer, der auffällt in dieser zunehmend geschniegelt-glatten Welt. Ein Waiblinger Urgestein, wie Journalisten über ihn gerne schreiben.

In seiner Heimatstadt steht der selbstständige Landschaftsgärtner regelmäßig auf dem Wochenmarkt und verkauft selbst gezogene Staudensonnenblumen und Exemplare aus seiner umfangreichen Sammlung von unterschiedlichen Rhabarberpflanzen. Oder er gondelt mit dem Streuobstmobil durch den Rems-Murr-Kreis und zeigt Kindern, dass Saft nicht in Tetrapacks wächst, sondern dass man ihn eigenhändig aus Äpfeln pressen kann.

Frieder Bayer über seinen Lebenstraum

Mit dem Streuobstmobil, sagt Bayer, verwirkliche er einen Lebenstraum: „Den Traum vom Kollektiv.“ Bayer, Jahrgang 1957, ist ein Kind seiner Zeit. In den 1970er-Jahren war er in der Jugendhausbewegung aktiv, hat sich für selbstverwaltete Zentren verkämpft, für „ein selbstbestimmtes Leben ohne Chefs“ und die Idee des gemeinsamen Lebens und Arbeitens. Allerdings, sagt er heute, „gab es damals bei den meisten Projekten halt doch irgendwann den Guru“.

Fünf Jahre war Frieder Bayer Sprecher des Kreisverbands der Jugendzentren, eine Zeit stundenlanger Grundsatzdiskussionen. Und vermutlich eine gute Schule für seine spätere ehrenamtliche Tätigkeit als Gemeinderat der Fraktion Alternative Liste (Ali) in Waiblingen, die auch einiges Sitzfleisch erfordert. In Frieder Bayers Fall muss es allerdings nun heißen „erforderte“ denn im Frühjahr hat er beantragt, aus „wichtigen Gründen“ aus dem Gremium ausscheiden zu dürfen. Dem Antrag wurde stattgegeben, an seine Stelle als Vertreter der Ali-Fraktion rückt ab sofort die Verlegerin Iris Förster.

Irgendwann gingen die Ideen aus

Seit dem Jahr 2008 saß Bayer im Waiblinger Gemeinderat. Der Kreistag hätte ihn noch mehr gereizt, sagt er, der Kreisvorsitzender des BUND ist. Immer wieder habe er sich die Frage gestellt, wo Mensch wohl mehr erreichen kann – im Gemeinderat oder außerhalb des Gremiums. „Wenn du außen bist, kannst du dich auf ein Thema konzentrieren und es abarbeiten. Wenn du drin bist, musst du dich mit der ganzen Palette beschäftigen, von der Gartenschau über Kindergartengebühren bis zum Querschnitt von Abwasserrohren. Da wird man oberflächlich.“

Seine Wunschidee wäre „eine Mitmach-Stadt“, in der Bürger ihre Ideen einspeisen können, bevor ein Planer beauftragt wird. Auch sollte es mehr Möglichkeiten der Beteiligung geben, findet Bayer: „Zum Beispiel über das Internet.“ Allerdings, gibt er zu: „Dafür braucht man mehr Zeit und mehr Personal.“

Irgendwie seien ihm die Ideen ausgegangen, sagt Bayer, der in seinem Leben schon viele Projekte ausgeheckt hat. Mal hatte er sich in den Kopf gesetzt, weiße gehörnte Heidschnucken zu züchten. Mal hat er in Nicaragua Brunnen gebaut und sich dort eine Gelbsucht geholt. „Das Wasser in den von mir gebauten Brunnen war offenbar nicht so gut“, sagt er und grinst.

Was Frieder Bayer jetzt vorhat

In den 1980er-Jahren war er Mitorganisator der ersten Demos gegen die Stationierung US-amerikanischer Pershing-Raketen in Mutlangen. Tagelang habe man damals über die Formulierungen auf einem Flugblatt diskutiert, erzählt Bayer. „Damit sind wir dann zum Drucker marschiert. Der hat’s gesetzt und gesagt: Das sieht scheiße aus. Wir haben also den lang erkämpften Text kurzerhand gekürzt, das haben wir basisdemokratisch zu zweit entschieden. Und keiner hat’s gemerkt.“

In den 1990er-Jahren hat der Waiblinger wochenlang in einem bosnischen Flüchtlingslager ausgeholfen. Das Massaker von Srebrenica, bei dem im Jahr 1995 Tausende bosnische Männer und Jungen ermordet wurden, bezeichnet Bayer als „einen Knackpunkt“ für sich. Damals sei er zu der Überzeugung gekommen, dass „bei solchen Konflikten ein robustes UNO-Mandat notwendig ist. Soldaten müssen die Bevölkerung schützen können.“

In Sansibar will Bayer bei der Lösung eines Plastik-Problems helfen

Am 5. März 1983, das Datum weiß Frieder Bayer noch genau, ist er bei den Grünen eingetreten: „Das war einen Tag vor der Bundestagswahl.“ Hat er je gezweifelt? Es gebe da einen Spruch über die Grünen, sagt Bayer als Antwort: „Wenn man mal nicht mehr überlegt, auszutreten, wird es Zeit, auszutreten.“ Bislang ist er, der sich eher den Fundis zurechnet, bei den Grünen mit dabei geblieben.

Der Waiblinger Gemeinderat aber muss von nun an ohne ihn auskommen. „Ich will jetzt mal meinen Kopf frei kriegen. Ich muss überlegen, wie ich meinen dritten Lebensabschnitt optimal gestalte“, sagt der 60-Jährige verschmitzt. Eine Möglichkeit dazu sieht er in „einem längeren Aktivurlaub“, der ihn im Herbst rund 7000 Kilometer weit nach Süden führen wird: auf die Insel Sansibar. Dieser Teilstaat Tansanias kämpfe mit einem massiven Plastikmüll-Problem, erzählt Bayer. Das will er im Zuge seines ehrenamtlichen Arbeitsurlaubs ein bisschen verringern: „Die Idee ist, den Kunststoffmüll zu schreddern, zu Ziegeln zu pressen und die zu verbauen.“