Silvesterhappen: Die Deutschen haben zum Jahreswechsel Lust auf Hummer. Foto: dpa

Gehorcht der Speiseplan an Weihnachten der Tradition, geht es kulinarisch zum Jahreswechsel vor allem luxuriös zu. In diesem Jahr herrscht die Lust auf Hummer.

Stuttgart - Jetzt was Positives: Dem Deutschen geht es sehr gut! Und er lässt es sich auf dem Esstisch nicht nehmen, sich dessen bei Festivitäten wie Silvester zu vergewissern. Beinahe übermütig ist er dann bereit, ins frische Jahr hineinzurauschen, als wär’s ein Champagnerbad. Warum nicht planschen und kulinarisch in die Vollen gehen? Wer weiß, was das neue Jahr bringt? Noch mal einen Spaß - und Genussvorrat anlegen. Gehorcht der Speiseplan an Weihnachten der Tradition, kulminierend in der Vollfettstufen-Dreieinigkeit Gans, Knödel, Rotkraut, wird es – chacun à son goût – zum Jahreswechsel bunter und vielgestaltiger auf den Tellern. Jedem, wie es ihm gefällt.

Die Wirtschaftswunderküche

In privater Runde werden sicherlich hier und da Grässlichkeiten aus der Abstellkammer der bundesrepublikanischen Wirtschaftswunderküche wie Cocktailwürstchen, Mett- und Käse-Igel, Toast Hawaii, gefüllte Weinblätter und Nudelsalat sowie Erdnussflips und Götterspeise zu unverdienten Ehren kommen. Dem Gros der silvesterlaunigen Bevölkerung steht der Sinn nach verfeinerten Genüssen. Gastrophilosophen wie Wolfram Siebeck und Jürgen Dollase oder ein Kämpfer für erstklassige Produktqualität wie der Blogger Julien Walther haben anscheinend nicht vergeblich schreibend geworben und gegeißelt.

Gehobene Küche

Ein unsystematischer Blick auf die Angebote der gehobenen Küche vom Norden bis zum Süden in der Republik zeigt, dass es nicht geheimer Absprachen bedarf, um immer wieder das auf die Menükarten zu bringen, was gut und teuer ist. In Baiersbronn hat das Paradetierchen Hummer mehrfach seinen Auftritt, selbst i n der unbesternten Köhlerstube des Hotels Traube Tonbach, zu dem die Drei-Sterne-Schwarzwaldstube gehört. In der Köhlerstube wird ein kanadisches Exemplar mit Blumenkohl und im Karotten-Ingwer-Sud angeboten, Jörg Sackmann in seinem Restaurant Schlossberg (2 Sterne) wählt zum Blauen Hummer Buttermilch, Affila-Kresse und Agria-Kartoffeln, Claus-Peter Lumpp lässt im Bareiss (3 Sterne) lediglich den Schwanz des Hummers als „Kreation mit Arabica-Kaffee und Juzu-Zitrone“ wedeln.

Hummer aus dem Atlantik

Das Restaurant Buddenbrooks (1 Stern) in Travemündes neoklassizistischem Kurhaus nennt als Herkunft des Hummers reichlich allgemein den Atlantik, dafür setzt ihn der Küchenchef Dirk Seiger, der den Zehnfußkrebs auch unter der Woche gerne anbietet, mit Bulgur, Gurke und Schafsjoghurt in Festtagsszene, „Marrakesch“ heißt seine Komposition. Denis Feix, der Chef in der Zirbelstube des Stuttgarter Schlossgartenhotels (1 Stern), baut den Rotschaligen als Hummerbisque in die Menüfolge ein.

Ganz klassisch

Ein anderer Edel-Klassiker, die Gänseleber, findet sich als Törtchen oder Terrine oder als Sidekick zu einer Galantine vom Perlhuhn meist als Entree auf den Karten der Restaurants; alternativ gibt es „Ravioli von der Entenleber mit Ragout von geschmorter Keule und Haselnuss-Schaum“ (Bareiss). Da der letzte Tag des Jahres begangen wird, dürfen es danach in den meisten Häusern zwei Hauptgänge sein. Das Filet Wellington kommt wieder auffällig zu Ehren, mal vom Kalb, mal vom Rind. Und im Angebot sind Edelfische wie Stein- und Heilbutt, auch Seeteufel, als gäbe es kein Morgen, Stichwort „gefährdete Art“. Aber wer will da Spielverderber sein, wenn etwas später Raketen die Feinstaubbilanz erledigen?