Der geplante Abbau von 11.600 Lehrerstellen erhitzt die Gemüter im Stuttgarter Landtag. Foto: dpa

Von wegen Schulfrieden: Die geplante Streichung von 11.600 Lehrerstellen hat für einen heftigen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition im Landtag gesorgt.

Stuttgart - Ein Schulfrieden in Baden-Württemberg ist nach wie vor in weiter Ferne: Ein heftiger Schlagabtausch im Landtag machte deutlich, dass Grün-Rot und Schwarz-Gelb noch lange brauchen, um bildungspolitisch auf einen Nenner zu kommen. Auch der Ton deutete eher auf Krieg als Frieden zwischen Opposition und Regierungskoalition hin. Die SPD warf CDU und FDP „Dreckschleuderei“ und Täuschung der Bürger vor. Die CDU bezichtigte ihrerseits die Koalition der Handlungsunfähigkeit. „Sie stehen mit dem Rücken an der Wand, haben das Haus angezündet und schreien nach der Feuerwehr“, meinte Volker Schebesta (CDU) am Mittwoch im Landtag in Stuttgart. Das Angebot von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, über die Realschulpolitik zusammen zu kommen, sei nicht genug.

Streitpunkt war vor allem die geplante Streichung von 11.600 Lehrerstellen bis 2020. „Der Abbau ist zu viel“, beklagte Schebesta. Grün-Rot werde den eigenen Ankündigungen und den Schulen nicht gerecht, wenn die Koalition nur auf rückläufige Schülerzahlen starre. Im Nachtrag für den Haushalt 2014/15 müsse Grün-Rot Abstand nehmen von der geplanten Streichung von 1200 Stellen im kommenden Jahr. Auch für den liberalen Bildungsexperten Timm Kern passen der Personalabbau bis 2020 und der zeitgleiche Ausbau von Ganztagsschulen nicht zusammen.

Schmid gibt Debatte wieder Schub

Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte die Debatte befeuert, indem er beim SPD-Parteitag am Wochenende erklärt hatte, die Zahl 11.600 sei nicht in Stein gemeißelt. Für Anfang November hatte er zudem zu einem Gespräch mit den Südwest-Vorsitzenden von CDU, Grünen und FDP geladen. Allerdings hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag gesagt, er wolle keine großen Hoffnungen machen, dass sich bei den Abbauplänen noch viel ändere.

Grüne und SPD warfen CDU und FDP vor, in ihrer Regierungszeit ähnliche Streichpläne gehabt zu haben. Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser erinnerte CDU und FDP daran, dass sie bis 2016 rund 8000 Lehrerstellen streichen wollten. Auch Stefan Fulst-Blei von der SPD wies auf die „Erblast“ hin: „Sie hätten das Bildungssystem bereits heute an die Wand gefahren.“ Er und Finanzstaaatssekretär Ingo Rust (SPD) monierten auch, dass die CDU in ihrem Debatten-Thema namentlich Nils Schmid erwähnt habe, wohl wissend, dass dieser derzeit mit einer Delegation in Indien weile. Die Debatte trotzdem anzusetzen, sei schlechter Stil, meinte Rust.

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) unterstrich, die Konsolidierung der Landesfinanzen und Investitionen in die Bildung seien sorgfältig gegeneinander abzuwägen. „Es darf nicht sein, dass die Lösung dieses Problems immer wieder einfach auf die nächste Generation verschoben wird“, sagte er mit Blick auf den erforderlichen Schuldenabbau. Er appellierte an die Opposition, sich wie Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen im Land zum Zwei-Säulen Modell mit Gymnasium und integrativer Schule zu bekennen. Dies müsse die Grundlage einer Vereinbarung sein. Ernsthafte Gespräche seien aber kaum mit einer Fraktion wie der CDU zu führen, die das mittelmäßige Abschneiden baden-württembergischer Neuntklässler im jüngsten Bildungsvergleich der grün-roten Landesregierung ankreide. Dessen Daten stammen aus dem Jahr 2012.

Der liberale Bildungsexperte Kern betonte, seine Fraktion gehe „ohne Vorbedingungen“ in Gespräche über einen Bildungskonsens, den jüngst auch die Wirtschaft deutlich angemahnt hatte. Allerdings verstehe es sich von selbst, dass die dritte Tranche der Gemeinschaftsschulen nicht umgesetzt werde, damit eine vernünftige regionale Planung der Schulentwicklung nicht konterkariert werde. Überhaupt müsse die Koalition ihre Perspektive ändern: „Das Friedensangebot, das Sie angeblich an CDU und FDP richten, sollten Sie in Wirklichkeit an die Eltern, an die Lehrer, an die Schüler, an die Schulleitungen und an die Schulträger richten.“