Frank Sell, der Gesamtbetriebsratschef der Mobility Sparte von Bosch, bei einer Kundgebung vor der Zentrale in Gerlingen im Frühjahr Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Die Kürzung der Arbeitszeit bei tariflich Beschäftigten führt nach Auffassung der Arbeitnehmervertreter zu einer Mehrbelastung der außertariflich bezahlten Führungskräfte. Das Unternehmen widerspricht.

Die Kürzung der Arbeitszeit bei Tausenden von Bosch-Beschäftigten stößt beim Betriebsrat auf scharfe Kritik. „Was uns wirklich umtreibt, ist, dass da jetzt ein Keil in die Belegschaft getrieben wird“, sagte Frank Sell, der Gesamtbetriebsratschef der Sparte Mobility Solutions gegenüber unserer Zeitung. Im Rahmen der Sparmaßnahmen reduziert das Unternehmen die Arbeitszeit von tariflich Beschäftigten, mit denen bisher eine Wochenarbeitszeit von 38 oder 40 Stunden vereinbart war. Sie soll auf die in der Metall- und Elektroindustrie übliche tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden zurückgeführt werden.

 

Aus Sicht des Betriebsrates entsteht dadurch ein Konfliktfeld zwischen den tariflich Beschäftigten, die sich durch die Arbeitszeitkürzung auf bis zu 14 Prozent weniger Gehalt einstellen müssten, und den außertariflich Beschäftigten, bei denen es bei der Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bleiben wird. Letztere müssten künftig mehr Arbeit schultern.

„Die außertariflich beschäftigten Führungskräfte sollen einen Teil der Mehrarbeit abfangen, die für sie anfällt, wenn ihr Team nur noch in einem geringeren Umfang arbeiten darf“, so Sell. Dem Betriebsrat wäre „nicht bekannt, dass es gleichzeitig Diskussionen darüber gibt, welche Arbeitspakete in den betroffenen Abteilungen nun rausgenommen werden können“. Zusätzlich werde die Atmosphäre im Betrieb durch die ungleiche Entwicklung belastet: „Wenn dann auch noch der Bonus bei den außertariflichen Mitarbeitern steigt, bei gleichzeitigem Personalabbau und Entgeltverlust bei den Tarifbeschäftigten, ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt“, sagte Sell.

Das Unternehmen tritt der Kritik des Betriebsrats mit der Aussage entgegen, es sei nicht vorgesehen, dass Führungskräfte Aufgaben ihrer Mitarbeiter übernehmen, die wegen der Arbeitszeitverkürzung liegenbleiben. Vielmehr sollten sie gemeinsam mit den Beschäftigten die Aufgaben der Teams priorisieren. Dies könne bedeuten, dass Aufgaben zeitlich verschoben oder fallen gelassen werden, sagte eine Bosch-Sprecherin. Führungskräfte könnten außerdem auf die veränderte Situation reagieren, indem sie Arbeit innerhalb des Teams anders verteilen, je nach Auslastung der einzelnen Teammitglieder.

Die Kürzungen sollen weiteren Stellenabbau bei Bosch verhindern

Die seit Jahresbeginn in mehreren Wellen beschlossenen Arbeitszeitkürzungen betreffen in den verschiedenen Geschäftsbereichen von Bosch rund 10 000 Mitarbeitende. Bei den meisten wurden die Pläne bereits umgesetzt. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass es zum 1. April 2025 auch für rund 1000 Beschäftigte in den Zentralfunktionen der Mobility-Sparte so kommen wird – dazu gehören etwa die Bereiche Personalmanagement, Finanzen und Vertrieb.

Stefan Hartung, der Vorsitzende der Bosch-Geschäftsführung, fährt derzeit einen harten Sparkurs. Foto: Lichtgut//Julian Rettig

Mit den Arbeitszeitkürzungen will das Unternehmen einen weiteren Stellenabbau verhindern, der über die avisierte Streichung von rund 12 000 Arbeitsplätzen im Gesamtkonzern hinausgeht. Der Metalltarifvertrag sieht die Möglichkeit vor, Arbeitszeiten für bestimmte Fachkräfte über die tarifliche Norm hinaus zu erhöhen. Bosch nutzt diese Regelung wegen der verschlechterten Geschäftsaussichten nun weniger – was zu Gehaltseinbußen bei den Betroffen führt.

Der Betriebsrat stört sich bei den Arbeitszeitkürzungen zudem an der Art und Weise, wie sie beschlossen wurden. Betriebsratschef Frank Sell sagt, das Arbeitnehmergremium sei bei der Entscheidung lediglich informiert, allerdings nicht einbezogen worden. „Wir haben eigentlich eine Betriebsvereinbarung, die unsere Spielregeln definiert. Dass der Arbeitgeber Dinge wie die Arbeitszeitreduzierung jetzt einseitig durchzieht, hat schon eine neue Dimension“, klagt Sell.