Können Computer so gut komponieren wie Menschen? Foto: imago images/U. J. Alexander

Die Künstliche Intelligenz durchdringt immer mehr Lebensbereiche. Auch vor Musik macht sie nicht halt.

Dieser Mozart klingt anders. Etwas weniger harmonisch und nicht ganz so fröhlich wie gewohnt – zugleich irgendwie zeitgemäß. Genau genommen sind die kurzen Stücke, die Musiker des Stuttgarter Kammerorchesters in der Stadtbibliothek zu Gehör bringen, auch nicht von Mozart. Es handelt sich eher um etwas, das vielleicht – oder auch nicht – herausgekommen wäre, wenn der große Komponist noch leben würde.

Die Aufführung geht auf ein Forschungsprojekt zurück, in dem die kompositorischen Fähigkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) untersucht werden. Dazu wurde ein Algorithmus mit Werken von Mozart gefüttert, darunter das Streichquintett in C-Dur KV 515, wie Ludger Brümmer vom Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe (ZKM) berichtet. Mit Methoden des maschinellen Lernens analysierte ein neuronales Netz die Musik und schrieb auf dieser Basis neue Noten. „Eigentlich wollten wir Mozart mit Arnold Schönberg vermischen“, sagt Brümmer, der auch Professor für Komposition für digitale Medien an der Musikhochschule Trossingen ist. Doch die Synthese von Wiener Klassik und Zwölftonmusik erwies sich dann doch als zu ambitioniert. Um den Programmieraufwand in Grenzen zu halten, „haben wir uns dann das Zwischenziel gesetzt, Mozart zu imitieren“.

Auch Komponisten folgen Regeln

Musik und KI seien gar nicht so weit voneinander entfernt, so Brümmer. „Komponieren hat etwas Algorithmisches.“ Auch Komponisten orientierten sich an Regelsystemen, innerhalb derer es gewisse Spielräume gebe. Brümmer glaubt aber nicht, dass Maschinen Komponisten überflüssig machen können. Bislang könne eine KI nur auf Basis vorhandener Werke lernen. Dass sie etwas vollkommen Neues schaffe, sei unwahrscheinlich. Zudem fehle ihr ein Sensorium für gesellschaftliche Strömungen und Entwicklungen, die menschlichen Komponisten oft als Inspiration dienen.

Anwendungen sehen Experten zunächst eher in der rationellen Produktion nichtssagender Hintergrundmusik, wie sie etwa in Aufzügen läuft. „Auch für die Begleitmusik einer ZDF-Vorabendserie braucht man eigentlich keinen Komponisten“, meint Brümmer. In der Popmusik gibt es bereits diverse KI-Kompositionen. Doch auch Beethovens angefangene 10. Sinfonie wurde schon auf diese Weise vollendet. Wie „Kollegin KI“ komponiert, führte Brümmer an Beispielen vor, bei denen verschiedene Methoden zum Einsatz kamen. Werden etwa die einzelnen Töne eines bekannten Stücks nur zufällig in eine neue Reihenfolge gebracht, hält sich der musikalische Genuss sehr in Grenzen.

Interpretation ist entscheidend

„Eine KI produziert nur schwarze Punkte“, so Brümmer. Wie die Musik klingt, hänge entscheidend von der Interpretation ab – was das Stuttgarter Kammerorchester eindrucksvoll unter Beweis stellte. Dessen Intendant Markus Korselt findet es reizvoll, „der Technik künstlerisches Potenzial abzuringen“. Und die Entwicklung gehe weiter: „Noch lachen wir – aber in zehn oder 20 Jahren wird es uns vielleicht schwerfallen zu erkennen, ob ein Stück von einer Maschine komponiert wurde.“ Solche Fragen wurden bereits 1957 diskutiert, als die „Illiac-Suite“ vorgestellt wurde. Das Streichquartett hatte ein Computer geschrieben, dem man einige Kompositionsregeln einprogrammiert hatte. Das Ergebnis klingt interessant, aber nicht übermäßig musikalisch. Rechenleistung war damals aber auch noch ein knappes Gut.