Ein Disponent in der S-Bahn-Leitstelle organisiert den Betrieb. Nun bekommt er Unterstützung durch Künstliche Intelligenz. Foto: Ines Rudel Foto:  

Seit gut einem Jahr setzt die S-Bahn Stuttgart Künstliche Intelligenz bei der Steuerung des Betriebs ein. Daniela Gerd tom Markotten, Technikvorstand bei der DB, hat eine Zwischenbilanz gezogen.

Die S-Bahn in der Region fährt weiterhin den eigenen Pünktlichkeitszielen hinterher. Dass der Ersatzverkehr in den Sommerferien, der wegen der sanierungsbedingten Sperrung der zentralen Tunnelstrecke in der Innenstadt das zweite Jahr in Folge nicht wie geplant rundgelaufen ist, hat das Vertrauen in das als „Rückgrat des Nahverkehrs“ apostrophierte System nicht erhöht. Wie die Bahn versucht, vor allem des Pünktlichkeitsproblems Herr zu werden, hat nun Daniela Gerd tom Markotten, für die Technik zuständiges Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, in Plochingen gezeigt.

Gut 950 Zugfahrten am Tag

Von dort aus wird der komplette S-Bahn-Verkehr in der Region gesteuert. Eine 30-köpfige Disponentenmannschaft koordiniert 950 Zugfahrten am Tag. Seit gut einem Jahr liefert eine Künstliche Intelligenz Tipps und Hinweise, wie der aktuelle Betriebsablauf zu optimieren wäre. „Das heißt aber nicht, dass der Computer entscheidet. Das machen weiterhin unsere Disponenten“, sagt Daniela Gerd tom Markotten.

Wenn der S-Bahn-Fahrplan aus dem Takt gekommen ist und einzelne Züge weit hinter den Soll-Zeiten herfahren, kann es sich etwa lohnen, die betroffenen Züge vor dem eigentlichen Ziel wenden zu lassen. Das ist eine der Maßnahmen, die die Künstliche Intelligenz vorschlägt. Der Rechner stellt gleichzeitig dar, wie der Betrieb sich weiterentwickelt, wenn dem Vorschlag zugestimmt wird oder man den Verkehr laufen lässt.

500 Punkte im Netz liefern Daten

Eine solche vorzeitige Wende sei nichts Neues und auch schon vor dem Einzug von Kollege Computer praktiziert worden, erklärt Daniela Gerd tom Markotten. Mit der neuen Unterstützung könne man aber die Wirksamkeit der Entscheidung besser abschätzen. Seine Empfehlungen errechnet der Computer auf Grundlage von rund 500 Punkten im Netz, von denen kontinuierlich Daten abgerufen werden.

Seit einem Jahr ist das von der Bahn selbst entwickelte System probehalber im Stuttgarter S-Bahn-Netz in Betrieb. In rund 60 Prozent der Fälle sei die Leitstelle der Empfehlung der Künstlichen Intelligenz gefolgt. Das Zusammenspiel zwischen ihr und den Bahnern aus Fleisch und Blut wird protokolliert. Nicht, weil sich die Disponenten hinterher für einen ausgeschlagenen Vorschlag rechtfertigen müssten, sondern um dem Computersystem zu weiterer Erkenntnis zu verhelfen, betont Daniela Gerd tom Markotten. Gleichzeitig weist sie Befürchtungen zurück, dass in dem Maße, in dem Computertechnik in die Betriebsorganisation Einzug halte, Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten müssten. Die in Stuttgart mit dem System gesammelten Erfahrungen kommen mittlerweile auch den S-Bahn-Netzen in München und Frankfurt zugute.

Computer ersetzt Ausbau nicht

Die Wirtschaftsingenieurin ist von dem Konzept überzeugt. Man habe im ersten Halbjahr 2022 im Stuttgarter Netz immerhin 4000 Verspätungsminuten vermeiden können. Wie viele Minuten nicht vermieden werden konnten, blieb allerdings offen. Daniela Gerd tom Markotten unterstreicht, dass zu einen stabileren Eisenbahnverkehr nicht nur immer intelligentere Computersysteme gehören, sondern auch schlicht der weitere Ausbau der Infrastruktur. „Das muss beides Hand in Hand gehen.“