Zwei Malerinnen der Waiblinger Künstlergruppe Art U Zehn gestalten den Buchstaben „M“ bei der Geheimen Mühle. Foto: Gottfried Stoppel

An Mittwochabenden kann man sie in Waiblingen entlang der Rems treffen: die Mitglieder der Künstlergruppe Art U Zehn gestalten dort die Buchstaben des Firmenschriftzugs der „Remstal-Quellen“, die 2008 geschlossen wurden.

Waiblingen - Ohne Leiter geht hier nichts. Ursula Schäfer steigt von ihrer herunter, rückt sie zur Seite und tritt einige Schritte zurück. Einen Pinsel mit orangefarbenem Acryllack in der einen Hand, in der anderen eine Schablone, mustert sie den fast zwei Meter hohen Buchstaben vor sich. An zwei Ständern schwebt er einen knappen halben Meter über dem Boden, hat in der Vergangenheit aber schon andere Höhen kennengelernt: Mehrere Jahrzehnte prangte er auf dem Lagergebäude der Mineralbrunnen AG (Minag) in Beinstein – als einer von 14 Lettern im weithin sichtbaren Schriftzug „Remstal-Quellen“.

Als die Firmengebäude nach der Schließung des Betriebs im Jahr 2008 nach und nach abgebrochen wurden, beschloss der Ortschaftsrat, zumindest diese Buchstaben zu sichern – als zeitgeschichtliches Dokument und Erinnerung daran, dass in Beinstein rund ein Jahrhundert lang Sprudel gefördert wurde. Anlässlich der Remstal-Gartenschau 2019 hat die Stadt Waiblingen die Buchstaben ausgemottet und entlang des Remstalradwegs aufgestellt. Und weil sie ein besonderer Hingucker sein sollen, sind die Mitglieder der knapp 20-köpfigen Waiblinger Künstlergruppe Art U Zehn derzeit voll beschäftigt, 13 Buchstaben sowie den Bindestrich künstlerisch zu gestalten, sodass jeder ein individuelles Aussehen bekommt. Nur ein Buchstabe bleibt als fleischfarbenes Original erhalten.

Freie Motivwahl – nur die Farbe ist vorgegeben

„Jeder von uns hat freie Auswahl, was das Motiv angeht“, erklärt Michael Schäfer das Konzept, „die einzige Vorgabe betrifft die Farbe.“ Das heißt: Vom Buchstaben „R“, der bei der B-14-Brücke steht und hauptsächlich in Gelb gehalten sein wird, reicht die Farbpalette über Orange, Rot, Violett, Blau- und Grüntöne bis zum grauen „N“ am Standort kurz vor Weinstadt-Endersbach. Wer welchen Buchstaben in welcher Farbe gestaltet, haben die Mitglieder der Gruppe per Los ermittelt. „Ich habe die Farbe Lila und ein L“, sagt Michael Schäfer. Das passt.

Nun ist aber erst mal das „E“ von Ursula Schäfer dran. Vorsichtig tupft sie mit einem Pinsel und unter Zuhilfenahme einer selbst gemachten Schablone einen hellen Braunton auf den gelb-orangefarbenen Untergrund und erzählt: „Die Schablone habe ich aus einer Klarsichthülle ausgeschnitten.“ Das Motiv, viele große und kleine Zahnräder und -rädchen, malt Ursula Schäfer über den ganzen Buchstaben und berichtet nebenbei, was die Passanten auf dem Remstalradweg von der Kunstaktion halten: „Die Leute freut’s.“

Die Stadtverwaltung hoffe zudem, dass die Buchstaben dank der Gestaltung keine Schmierereien abbekommen, sagt Manfred Bodenhöfer: „Gute Sprayer machen das nicht.“ Bodenhöfer, ein gelernter Malermeister, hat den speziellen wetterfesten Acryllack ausgewählt, mit dem die Buchstaben grundiert werden. Er selbst wird das zweite „E“ im Schriftzug gestalten, seine Hauptfarbe dabei: „Ein gelb-grüner Ton.“

Eine Niete gezogen – und trotzdem dabei

Knapp hundert Meter die Rems aufwärts, kurz vor der Geheimen Mühle in Beinstein, werkeln gleich zwei Malerinnen an einem Großbuchstaben. „Ich habe bei der Verlosung eigentlich eine Niete gezogen“, sagt Margarete Laible. Doch Bettina Wyderka, mit der sie auch zusammen in einem Atelier arbeitet, hat ihr eine Hälfte abgetreten. „Wir teilen uns das ,M’“, sagt Bettina Wyderka und fügt hinzu: „Solch einen Buchstaben zu gestalten, ist schon eine Herausforderung.“ Mittlerweile aber sei zumindest klar: „Wir wollen zwei Menschen gegenüberstellen.“

Wyderka nimmt sich den linken Senkrechtstrich vor, Laible den rechten. In das obere Drittel des Buchstabens will das Duo Worte schreiben, die mit „M“ beginnen, von Mandala über Mimose bis Mühle. Bevor die Künstlergruppe loslegen konnte, musste jeder zunächst seinen Buchstaben von der alten Industriefarbe befreien. Ein recht mühseliges Geschäft, bei dem neben Lauge auch eine Menge Schleifpapier zum Einsatz kam.

Buchstabe für Buchstabe werden sich die Künstlerinnen und Künstler von Art U Zehn in den kommenden Wochen entlang der Rems arbeiten. Ein Zeitraum, in dem man bei ordentlichem Wetter gute Chancen hat, sie anzutreffen, ist der Mittwochabend.