Die zahlreichen Gesichter des Ali Schüler. Der Leiter der Kunstschule hat sich der Schwarz-weiß-Fotografie verschrieben – und einem Bild von sich selbst. Foto: Thomas Krämer

In einer Serie stellen wir Künstler von den Fildern vor und sprechen mit ihnen auch über Werke, die sie um keinen Preis verkaufen wollen oder solche, die seit Langem keinen Käufer gefunden haben.

Filderstadt - Ali Schüler ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Wobei: Das wäre falsch. Denn das Gesicht, das auf seinen unverkäuflichen Werken zu sehen ist, ist immer das Gleiche. Das Einzige, was sich ändert, sind die Haare. Aber das reicht, um daraus eine völlig neue Person zu machen.

„Der Mensch steht im Zentrum meiner Arbeit, auch wenn er auf vielen Bildern abwesend ist.“ Das hinge auch mit seiner Biografie zusammen. Ali Schüler stammt aus Tadschikistan und zog in den 1960er Jahren als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Deutschland. Wie seine beiden Brüder hat er eine künstlerische Ader, studierte Grafik und Malerei in Nürtingen sowie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, bekam ein Stipendium – und arbeitete unter anderem als Textildesigner. „Dadurch konnte ich meine eigene Kunst von kommerziellen Aspekten freihalten“, sagt er, denn Kunst solle authentisch sein.

„Farbe lenkt vom Wesentlichen ab“

Ali Schüler malte und fotografierte im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn, vereinigte und vermischte diese beiden Disziplinen. Vor acht Jahren traf er die Entscheidung, sich nur noch der Fotografie zu widmen. Es sind vor allem Schwarz-Weiß-Arbeiten in feinsten Grauabstufungen, „Farbe lenkt oft vom Wesentlichen ab“, sagt der Künstler, der vor allem Menschen in den Fokus nimmt und die Geschichte ihres Lebens im Bruchteil einer Sekunde einfangen und erzählen will.

Seit April dieses Jahres ist Ali Schüler der Leiter der Filderstädter Kunstschule. 20 Jahre hatte er hier als Dozent gearbeitet, bevor er diesen Posten übernommen hat. „Bildung ist das Wichtigste für den Menschen“, sagt der bekennende Humanist. Ihm geht es um die Frage, was mit dem Menschen passiert, wenn er sich mit Kunst beschäftigt oder künstlerisch betätigt. „Jedes Bild ist ein Spiegel des Menschen, der sich damit beschäftigt“, ergänzt Ali Schüler.

30 Arbeiten aus einem Foto

Auch die Arbeit als Kunstschulleiter versteht er als künstlerischen Prozess. „Ich arbeite heute nicht mehr mit Farbe und Pinsel, sondern gemeinsam mit Menschen“, und das sei ein sehr lebendiger Prozess. In diesem Kontext ist auch die Arbeit zu sehen, die für den Künstler unverkäuflich ist.

Ein Selfie stand 2005 am Anfang der unverkäuflichen Porträtserie – zu einer Zeit also, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Ali Schüler wollte mit der Aufnahme nicht zeigen, wo er gewesen ist, sondern was den Menschen ausmacht. Mehr als 30 Arbeiten sind seither aus diesem einen Foto entstanden, das digital bearbeitet, auf Leinwand aufgezogen und mit Tusche übermalt wurde, um der Aufnahme die fotografische Realität teilweise zu nehmen. Ali Schüler ist Mädchen und Mann, Schwarzafrikaner und Taliban, Jesus und Indianer. „Ich will damit zeigen, dass genetisch betrachtet in jedem von uns die ganze Menschheit steckt“, sagt Ali Schüler, „ein selbstironischer Auftritt für mehr Toleranz“. Die Arbeiten hat der Künstler schon mehrfach ausgestellt und eine Vielzahl unterschiedlicher Reaktionen beobachtet. „Es gab Leute, die haben lauthals gelacht, andere waren tief ergriffen“, sagt Ali Schüler und hat damit etwas erreicht, was jeder Künstler will: Dass sich der Betrachter Gedanken darüber macht, was und wen er vor sich sieht. Ein Thema, das aktueller ist denn je.