Anja Karliczek im Gespräch mit ihrer künftigen Vorgängerin Johanna Wanka – auf dem CDU-Parteitag am Montag vergangener Woche. Foto: AFP

Eine Woche vor Amtsantritt liest Anja Karliczek alles, was sie zu Bildung und Forschung finden kann. Auf die Häme, die ihr teilweise entgegenschlägt, hat sie eine selbstbewusste Antwort parat.

Berlin - Ihre Überraschung kann sie auch zwei Wochen nach dem Anruf aus dem Kanzleramt nicht verbergen. Seitdem weiß Anja Karliczek, dass sie Ministerin im vierten Kabinett von Angela Merkel werden soll. Seit dem vorvergangen Sonntag weiß es auch die gesamte Republik, die sich freilich noch immer fragt: Anja wer?

Die Zeit zwischen ihrer Nominierung und der Aushändigung der Ministerurkunde durch den Bundespräsidenten am kommenden Mittwoch nutzt die 46-jährige CDU-Abgeordnete aus dem Münsterland, um sich ein wenig bekannter zu machen. Schließlich war die parlamentarische Geschäftsführerin der Unionsfraktion im Bundestag bisher eher organisatorisch im Hintergrund aktiv. Und so tingelt sie in diesen Tagen durch Berliner Journalistenrunden, um sich denen vorzustellen, die über ihre künftige Arbeit als Ministerin für Bildung und Forschung berichten werden.

Sie nimmt sich dabei viel Zeit, erzählt von ihrer Familie in Tecklenburg, die nicht mit nach Berlin gekommen ist, weil sie sich unter der Woche ohnehin ganz der Politik widmen muss, bald noch mehr. Ihr Mann ist Pilot, hat die Air-Berlin-Pleite mitgemacht, und fliegt nun für Eurowings. Die Kinder besuchen eine Schule, deren Klassenzimmer schon mit digitalen Whiteboards bestückt sind und nahelegen, dass im deutschen Bildungswesen nicht alles schlecht ist. Hier steht auch das Hotel ihrer Eltern, in dem Anja Karliczek eine Ausbildung durchlaufen und das Organisationstalent entwickelt hat, das Unionsfraktionschef Volker Kauder aufgefallen ist und ihr schließlich den Termin bei Merkel eingebracht hat.

Zwei Lehren und ein Fernstudium

Die heimische Erdung ist Anja Karliczek wichtig. Im neuen Amt will sie ihre Erfahrungen aus dem Bundestagswahlkampf vor Ort einbringen, als ihr vor Augen geführt wurde, wie viele Menschen sich von den Berliner Debatten abgekoppelt fühlen. Mit ihr dürfte eine neue Bodenständigkeit ins Ministerium am Kapelle-Ufer im Spreebogen einziehen, ganz anders als bei der CDU-Kollegin Johanna Wanka, die selbst dem wissenschaftlichen Betrieb entstammt.

Die Neue hat seit ihrer Nominierung deshalb schon viel Häme einstecken müssen. Im Netz sowieso, aber auch vom ein oder andern Bundestagskollegen. Was qualifiziert sie, die vor dem Fraktionsmanagement eine Wahlperiode im Finanzausschuss arbeitete, für das Amt? Soll eine Diplomkauffrau, die ihren Abschluss an der Fernuni Hagen gemacht hat, Bildung und Forschung in Deutschland verantworten? „Es stimmt, ich habe keine klassische akademische Laufbahn eingeschlagen“, antwortet Anja Karliczek mit einer selbstbewussten Verteidigungsrede: „Praktische Erfahrung habe ich mit zwei abgeschlossenen Lehren, einem Fernstudium und als Mutter von Schulkindern aber sehr wohl – und genau für diese Biografie hat sich auch die Kanzlerin interessiert.“

Eine Ministerin mit Geld und Einfluss

Karliczek wäre beileibe nicht die erste fachfremde Fachministerin der Republik. Wohl aber wird sie mit mehr Geld für Forschung und Bildung sowie einem gelockerten Kooperationsverbot die gegenüber den Ländern vielleicht einflussreichste Bundesbildungsministerin aller Zeiten sein.

An den inhaltlichen Lücken arbeitet sie schon, nutzt jede Gelegenheit, den Koalitionsvertrag und Arbeitsgruppenpapiere zu studieren. „Im Augenblick lese ich sehr viel, ich habe mich lange mit den Fachpolitikern im Bundestag und meiner künftigen Vorgängerin Johanna Wanka unterhalten und kann seit dieser Woche nun auch mit dem Ministerium selbst Kontakt aufnehmen“, erzählt Karliczek: „Ich freue mich auf die Aufgabe in diesem spannenden Zukunftsfeld.“