Ikonen de 20. Jahrhunderts: Lateinamerikas größte moderne Revolutionäre – Ernesto Che Guevera (1928-1967) und Fidel Castro (1927-2016, rechts) Foto: AFP

Er war der am längsten regierende Staatschef des 20. Jahrhunderts. Jezt ist Fidel Castro, Kubas Maximo Lider, mit 90 Jahren gestorben. Was von seiner Revolution bleibt, ist ungewiss.

Havanna - Der Bart des „Maximo Lider“ – des größten Führers – war schon vor langer Zeit grau geworden. 47 Jahre stand Fidel Alejandro Castro Ruz – so sein bürgerlicher Name – unangefochten an der Spitze des kubanischen Staates. Damit war er der am längsten regierende Herrscher des 20. Jahrhundert. Am Freitagabend starb der am 13. August 1927 im kubanischen Birán geborene Berufsrevolutionär im Alter von 90 Jahren in Havanna, wie sein Bruder und Staatspräsident Raúl Castro im staatlichen Fernsehen bekanntgab.

Fidel Castro trotzte während seiner Regierungszeit zehn US-Präsidenten. Auch nach seinem krankheitsbedingten Rückzug 2006 bestimmte er als graue Eminenz im Hintergund die Geschicke des sozialistischen Kuba weiter mit. International wurde Fidel Castro als „Figur von historischer Bedeutung“ und Symbol einer ganzen Ära gewürdigt. Exil-Kubaner nannten ihn dagegen einen Diktator, der Oppositionelle unterdrücken und hinrichten ließ. Vor allem in den USA bejubelten viele von ihnen die Nachricht von Castros Tod.

Fidels Leiche wird verbrannt

Die Leiche soll nach Angaben seines Bruders Raúl verbrannt werden. Das sei der Wunsch Fidels gewesen. Der kubanische Staatsrat ordnete bis zum 4. Dezember Staatstrauer an, wie die Zeitung „Juventud Rebelde“ am Samstag online berichtete. Die sterblichen Überreste sollen zunächst am Montag und Dienstag zum monumentalen Denkmal für den Nationalhelden José Martí in Havanna gebracht werden. Dort sollen die Kubaner Abschied von Fidel Castro nehmen können. In Havanna soll am Dienstag eine Massenkundgebung auf dem Revolutionsplatz stattfinden.

Anschließend soll die Urne mit der Asche in einem viertägigen Trauerzug über verschiedene Ortschaften zur 900 Kilometer von Havanna entfernten Stadt Santiago de Cuba gebracht werden. Eine weitere große Trauerzeremonie ist am kommenden Samstag nach Ankunft der Urne in Santiago de Cuba geplant. Am Sonntag, dem neunten Tag der Staatstrauer, soll dort dann die Beisetzung auf dem Friedhof Santa Ifigenia stattfinden.

Der Letzte seiner Art

In seinen letzten Lebensjahren war es einsam um ihn geworden. Fidel Castro war der Letzte seiner Art. Der letzte noch lebende kommunistische Alleinherrscher, der letzte der großen Revolutionäre, die anderswo von ihren Völkern schon längst verjagt worden waren. Eiserne Disziplin, harte Arbeit und ein unerbittlicher Kampfgeist hatten den ehemaligen Jesuitenschüler geprägt.

Schon oft wurden seine letzten Tage vorausgesagt – wie im August 1994, als Tausende seiner Landsleute die Karibikinsel mit Booten in Richtung Florida verließen. Doch Fidel Castro hatte es immer wieder verstanden, Niederlagen in Siege zu verwandeln. Selbst als sein Lebenswerk unübersehbare Auflösungserscheinungen zeigte, wirkte der rote Caudillo ungebrochen, wenn auch müde. „Auch Marathonläufer“, sagte er einmal, „werden manchmal müde, und ich bin schon einen langen revolutionären Marathon gerannt“.

Berüchtigt waren seine stundenlangen Ansprachen

Castro war eine starke, machtbewusste und charismatische Persönlichkeit – rigoros in seinem Handeln, autoritär in seinen Entscheidungen. Berüchtigt waren seine Ansprachen, die auch mal fünf Stunden und mehr dauern konnten.

Seine Integrität und sein Charisma konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein politisches Lebenswerk gescheitert ist. Den meisten Kubanern ist klar, dass der sogenannte Castrismo ohne seinen Patriarchen nicht überleben wird. Realitätsverlust und Altersstarrsinn schützten den Berufsrevolutionär davor, sich das ganze Ausmaß seines Scheiterns einzugestehen. „Ich habe genauso wenig eine andere Wahl wie die ersten Christen“, begründete er sein starres Festhalten am Kommunismus. „Vielleicht werde ich auch von Löwen gefressen.“

Undenkbar, dass Kubas „Maximo Lider“, wie Castro sich am liebsten von seinen Landsleuten nennen ließ, je ans Aufhören dachte. „Wir Revolutionäre gehen nie in Pension“, beantwortete er Fragen nach seinem Rücktritt. Mit der Bewegung des 26. Juli (M-26-7) war er 1959 die treibende Kraft der kubanischen Revolution gegen den Diktator Fulgenico Batista. Doch im Februar 2008, zwei Jahre nach einer schweren Darmoperation, musste Fidel der Große das Präsidentenamt an seinen 79-jährigen Bruder Raul ab.

2010 Abscheid von allen politischen Ämtern

2010 trat er auch von seinem letzten offiziellen Amt als Erster Parteisekretär ab. Seit dem Rücktritt zeigte er sich nur noch selten in der Öffentlichkeit. Bei der Parlamentswahl im Februar 2013 gab er erstmals seit seiner Erkrankung wieder in einem öffentlichen Wahllokal seine Stimme ab.

Im Januar 2014 trat der schon oft Totgesagte bei einer Kunstausstellung erstmals nach neun Monaten wieder öffentlich auf. In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Castor dem Schreiben und empfing hin und wieder Persönlichkeiten aus aller Welt.

Der rote Caudillo

Aufbruch nach dem Ende des Ostblocks

Der Zusammenbruch des Ostblocks 1989 zwang die kubanische Wirtschaft endgültig in die Knie. Von einem Tag auf den anderen war sie von 85 Prozent ihres Außenhandels abgeschnitten. Die letzten Jahre unter Fidels strengen Regiment wankte Kuba, aber es fiel nicht. In der Not setzte er alle Hoffnungen auf den Tourismus. Doch die Devisenjagd schuf eine Dollar-Apartheid. Der Traum von sozialistischer Gleichheit war ausgeträumt. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft war entstanden: Dollar-Besitzer und der Rest der Bevölkerung. Ein Kellner im Touristenhotel konnte mit seinen Dollar-Trinkgeldern weit mehr verdienen als ein Ingenieur.

Zähneknirschend musste Fidel Castro den Weg zur Marktwirtschaft freigeben und die „spezielle Periode“ ausrufen. Auf der Suche nach Devisen hat der Maximo Lider die letzten sozialistischen Prinzipien über Bord geworfen. Ausländische Investoren wurden ins Land geholt, der Dollar wurde zur offiziellen Zweitwährung erklärt und ein großer Teil des Staatslandes Hunderttausenden Kooperativbauern zum privaten Gebrauch übergeben.

Obwohl der Siegeszug des Kapitalismus das sozialistische Eiland längst erfasst hatte, verweigerte sich der Staatschef jeder politischen Öffnung und übte sich starrsinnig in kommunistischer Rhetorik. Eisern hielt er an seinem Lebensmotto „Socialismo o muerte“ (Sozialismus oder Tod) fest.

Ein einzigartiges Leben – Stoff für Legenden

Die Biografie des greisen Revolutionärs liefert genug Stoff für Legenden. Am 13. August 1927 wurde Castro als uneheliches Kind des Zuckerrohr-Plantagenbesitzers Ángel Castro Argiz und dessen Hausköchin Lina Ruz González geboren. 1945 begann er ein Jura-Studium an der Universität von Havanna. In seiner ersten militanten Aktion beteiligte er sich 1947 an dem gescheiterten Versuch der Karibischen Legion, den Diktator der Dominikanischen Republik, Rafael Trujillo, zu stürzen. 1950 promovierte er zum Doktor des Zivilrechts.

Der Staatsstreich am 10. März desselben Jahres, der von General Batista angeführt wurde, verhinderte zunächst eine weitere politische Karriere. Nach der gescheiterten Anklage Batistas wegen Verfassungsbruchs vor dem Obersten Gerichtshof bereitete Castro den Sturz des Diktators vor.

Am 26. Juli 1953 versammelte er rund 160 Mitstreiter um sich, um die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und die Kaserne Carlos Manuel de Céspedes in Bayamo zu stürmen. Die miserabel durchgeführte Aktion misslang, Castro wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 15. Mai 1955 kam er im Rahmen einer Generalamnestie nach weniger als zwei Jahren frei.

Auch Kennedy biss sich an Castro die Zähne aus

Am 25. November 1956 brach Fidel Castro zusammen mit seinem Bruder Raúl, Ernesto Che Guevara, Camilo Cienfuegos und weiteren 78 Revolutionären vom mexikanischen Tuxpan mit der Yacht Granma nach Kuba auf. Nach über zwei Jahren Guerillakampf floh Diktator Batista am 1. Januar 1959 außer Landes. Castro wurde neuer Regierungschef und übergab den Oberbefehl über die Streitkräfte an seinen Bruder Raúl.

1961 billigte US-Präsident John F. Kennedy die von Exilkubanern und der CIA geplante Invasion Kubas, um Castro zu stürzen. Das Landemanöver in der Schweinebucht (17. April bis 19. April 1961) wurde ein totaler Reinfall. Daraufhin erklärte Castro Kuba zur Sozialistischen Republik.

Zugleich löste das „Unternehmen Schweinebucht“ die Kubakrise aus, in der die Sowjetunion gegen die USA gerichtete Atomraketen auf Kuba stationierte. Kennedy verlangte am 22. Oktober 1962 den sofortigen Abzug der Raketen und verhängte gleichzeitig eine Seeblockade gegen Kuba, um weitere Stationierungen zu verhindern. Das Kräftemessen endete nach 13 Tagen durch Einlenken des sowjetischen Präsidenten Nikita Chruschtschow, der den amerikanischen Forderungen nachgab.

Socialismo o muerte

Seit Castros Amtsantritt gab es zahlreiche Mordanschläge und Pläne zu seinem Sturz. Die Palette der eingesetzten Mittel reichte von vergifteten Zigarren und Essen über Haarausfall bewirkende Chemikalien und LSD bis zu Schusswaffen und Bomben. Fidel Castro überstand alle Versuche von CIA und Exilkubanern, ihn und die kubanische Revolution wieder loszuwerden.

Diehistorische Aussöhnung zwischen Kuba und den USA, die in der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen 2015 und dem Besuch von Präsident Barack Obama in Havanna im März 2016 gipfelte, verfolgte Fidel Castro mit unüberhörbarer Skepsis.

Frisst die kubanische Revolution ihre Kinder?

Während der Trauerperiode sollen die Fahnen auf Halbmast gesetzt werden, Rundfunk und Fernsehen auf eine „informative, patriotische und historische“ Programmgestaltung achten und alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt werden.

Die republikanische Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen, die als Achtjährige ihre Heimat Kuba verließ, erklärte, der Tod Fidel Castros sei keine Freude, aber doch eine neue Gelegenheit für den kubanischen Staatschef Raúl Castro, sich den neuen Zeiten anzupassen.

Ob auch die kubanische Revolution ihre Kinder fressen wird, ist ungewiss. Für viele Kubaner wird Fidel Castro vor allem eines bleiben: Derjenige, der ihnen mit der Revolution von 1959 zum ersten Mal eine nationale Identität geschenkt hatte.

Fidel Castro – ein Leben

13. August 1927

Er wird als Fidel Alejandro Castro Ruz in Birán in der kubanischen Provinz Oriente geboren.

1947

Nach Abschluss der Schule schließt sich Fidel Castro einer revolutionären Exilgruppe an, um Rafael Trujillo, den Diktator der Dominikanischen Republik, zu stürzen.

1950

Doktor der Rechtswissenschaften.

1953

Gescheiterter Revolutionsversuch in Santiago de Cuba und Bayamo, der zu seiner Inhaftierung führt.

1954

Amnestierung und Exil in Mexiko.

1956-1959

Rückkehr nach Kuba und Gründung der Bewegung des 26. Juli (M-26-7); Guerillakampf gegen das Batista-Regime zu beteiligen, das er bis Ende des Jahres 1959 besiegte.

16. Februar 1959

Ministerpräsident, Verstaatlichung der Industrie und Landwirtschaft sowie zahlreicher US-Unternehmen.

1962

Das „Unternehmen Schweinebucht“ löst die Kubakrise aus, in der die Sowjetunion gegen die USA gerichtete Atomraketen auf Kuba stationiert.

1963

Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas.

1975

Entsendung von rund 50 000 kubanischen Soldaten, um die sozialistischen Befreiungstruppen in Angola und Mocambique zu unterstützen.

Mitte der 1980er Jahre

Der mit Michail Gorbatschows Reformpolitikeingeleitete Zusammenbruch des Sowjetimperiums löst eine Wirtschaftskrise in Kuba aus.

1989

Unruhen und Massenflucht.

1994

Wirtschaftsreform, wodurch sich die politische Situation entspannt. Das Land erweitert sein Engagement im Tourismus und erhält dafür hohe Zuschüsse von ausländischen Investoren.

2003

75 Oppositionelle werden verhaftet und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.

2005

Venezuela und Kubaschließen ein neues Wirtschaftsabkommen, das ihre Gegnerschaft gegen die USA betont.

1. August 2006

Fidel Castro gibt wegen einer schweren Erkrankung seine Funktionen als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Präsident von Staatsrat und Regierung vorläufig an seinen Bruder Raúl ab.

24. Februar 2008

Das Parlament in Havanna wählt Raúl Castro als Nachfolger im Amt des Staatspräsidenten.

25. November 2016

Fidel Castro stribt mit 90 Jahren in Havanna.