Privatquartier statt Hotel: Immer mehr Kubaner vermieten Zimmer - mit Erfolg. Denn der Tourismus nach Kuba boomt. Foto: Schümann

Rund 8000 Kubaner verdienen sich etwas dazu, indem sie Zimmer an Touristen vermieten. Aber auch die Reisenden profitieren: Sie bekommen Einblicke ins Leben der Einheimischen.

Havanna - William und Delvis strahlen, dass die Zähne blitzen. „Gäste empfangen, das ist, wie wenn Freunde kommen“, sagen sie in ihrem Wohnzimmer. Der große Raum ist picobello aufgeräumt. Auf dem Polstersofa liegt ein Schonbezug mit Rüschen, auf der Rückenlehne hocken Stofftiere. Dahinter brummt ein Aquarium. Drei Sessel und zwei Schaukelstühle gruppieren sich einladend um den Tisch. William war früher Elektroingenieur, seine Frau Delvis Buchhalterin.

Als die kubanische Regierung vor ein paar Jahren die Casas Particulares, also das Vermieten von Privatquartieren an Touristen, erlaubte, sattelten die beiden um. Liebevoll renovierten sie ihr großzügiges Kolonialhaus und richteten es für Gäste aus Europa her. Die Familie rückte zusammen. Seither vermieten sie drei wohnliche Zimmer mit Bad und Klimaanlage für 23 Euro pro Nacht. Auf Wunsch gibt es ein reichhaltiges Frühstück für nicht ganz fünf Euro mit original Baracoa-Trinkschokolade, heiß und dickflüssig.

Alles ist sauber, praktisch, zeitweiliger Stromausfall inklusive. Von den Einnahmen aus ihrer neuen Beschäftigung kann die Familie gut leben, besser denn je zuvor. Anfangs waren die Privatquartiere einfach und mit Familienanschluss. Inzwischen gibt es für Casas Particulares Standards wie Türschlüssel, Klimaanlage und ein Bad mit Dusche/WC. Der Tourismus nach Kuba boomt und mit ihm die Branche der freien Unternehmer. Denn wer sich nicht nur von Reis und Bohnen ernähren will, sucht sich einen Job, bei dem der Peso Convertible - kurz CUC, wie die kubanische Devisenwährung heißt - das gängige Zahlungsmittel ist.

Auch die Preise werden steigen

Rund 500 000 Kubaner arbeiten schon auf eigene Rechnung, die meisten in der Gastronomie, als Reiseleiter oder Taxifahrer. Gut 8000 private Zimmervermieter werden heute in ganz Kuba gezählt, ihre Zahl steigt ständig. Wenn erst das US-Embargo fällt und amerikanische Touristen auf die Insel strömen, werden es noch mehr werden. Auch die Preise werden steigen. Für eine Nacht erhält William heute 25 CUC, was dem Monatsgehalt vieler Kubaner entspricht, die in der nationalen Währung Peso Cubano (CUP) bezahlt werden. Die Casa Colonial William Montoya Sánchez liegt in Baracoa. Kaum eine Gegend Kubas erscheint paradiesischer als diese im Insel-Osten, und der nahe Nationalpark Alejandro de Humboldt zieht Wanderer, Ornithologen und Naturfans an.

Abends bietet Delvis Kochkurse an. „Meeresfrüchte lieben unsere Gäste“, weiß die Hausherrin und zeigt, wie man Scampi richtig säubert. Hummer sind Exportgut und nur vom Fischer oder auf dem Schwarzmarkt zu haben - für harte Währung in CUC, versteht sich. „Wer heute von Fremdenzimmern leben will, muss sich unterscheiden“, sagt Delvis. Der Wettbewerb sei hart geworden, sagt die Vermieterin aus Baracoa, wo der Tourismus noch gar nicht richtig angekommen ist. Anders in Trinidad, dem Unesco- geschützten Kleinod aus dem 18. Jahrhundert. Alle Inseltouren machen hier halt.

Keine andere Stadt setzt das Goldene Zeitalter prachtvoller in Szene. Vergitterte Fenster, Pastelltöne, blank getretenes Kopfsteinpflaster. An fast jeder dritten Tür in der Altstadt signalisiert der blaue Anker Privatquartiere, rund 1500 sollen es hier schon sein. Sonaly González Toledo hat zwei Zimmer modern und komfortabel eingerichtet. Sie freut sich über die gute Belegung und arbeitet mit mehreren staatlichen Agenturen zusammen, die ihr Gäste bringen. Auch wenn Vermieter eine monatliche Lizenz sowie hohe Steuern abführen müssen, profitieren sie. In Sonalys Wohnzimmer flimmert ein großer Fernseher, in der Küche stehen drei Kühlschränke.

„Der Tourismus bringt Wohlstand, aber nur wenigen“

Sie hat eine Mikrowelle und eine Haushilfe. In derselben Straße, der Calle Colón, befindet sich auch das „Haupthaus“ von Jesús Pineda, der vier Zimmer vermietet und eine große Dachterrasse mit Meerblick besitzt. Hier wird die Ankunft von Reisegruppen routinemäßig abgewickelt: Empfang, Zimmervergabe, Abendessen. „Das Geschäft läuft gut“, nickt Jesús zufrieden. „Der Tourismus bringt Wohlstand, aber nur wenigen“, sagt Saralys, die am Morgen draußen auf ihre Gruppe wartet. Ihr Musikstudium hat die junge Frau für den Job als Tourguide aufgegeben. „Unser Problem ist, dass sich die Gesellschaft spaltet.“

Das sieht auch Javier so. „Bei uns haben sich viele Türen geöffnet“, sagt der 27-jährige Student im Rincón de la Salsa, einer angesagten Bar. Doch es seien kubanische Türen; es gehe langsam. Auch Javier arbeitet nebenher als Reiseleiter, weil das Geld sonst nicht reicht. Die Kubaner wissen längst, was die Touristen aus Europa wollen und was sie zu zahlen bereit sind. Es dürstet sie nach einem besseren Leben - wie sie vor 50 Jahren nach Cuba libre, einem freien Kuba, dürsteten. In Havanna mag der Verfall bei manchen noch süße Wehmut wecken. Doch wird die Stadt seit Jahren schon einer aufwendigen Schönheitsoperation unterzogen.

In der Altstadt um die Kathedrale, wo Kolonialbauten glänzen und die Touristen der historischen Atmosphäre nachspüren, spürt man längst das Flair des Aufschwungs und des Kommerzes. Sarahi Pérez Hernández übt ihren Beruf als Krankenschwester zwar noch aus, vermietet aber auch bei sich Zimmer an Fremde, meist an deutsche Reisende. Von ihnen wüsste sie, was es bedeute, gut zu leben. Und das gehe mit der Casa Particular, zumal die früheren Restriktionen vom Staat gelockert wurden.

„Ein anderes System als den Sozialismus kenne ich nicht“, sagt sie und wippt lässig im Schaukelstuhl. Die Ideale der Revolution seien gut, Fidel Castro sei eine große Persönlichkeit. Aber er stehe für eine historische Epoche. Die Gegenwart heiße Marktwirtschaft. „Wir haben gelernt, aus unseren Problemen herauszukommen“, sagt die 39-Jährige. Auch dank der Deutschen, deren Organisation und Disziplin sie fasziniere. „Wir brauchen euch, und ihr braucht uns“, schmunzelt Sarahi. Die Deutschen seien zu individualistisch, ihnen fehle die Magie des Lebens. „Darum braucht ihr Kuba. Hier merkt ihr, was euch zu Hause fehlt.“

Infos zu Kuba

Anreise
Condor fliegt von Stuttgart nach Havanna ab 650 Euro, www.condor.de , KLM ab 540 Euro, www.klm.com , und Air France ab 650 Euro, www.airfrance.de . Für die Einreise benötigt man eine Touristenkarte, die man bei der Botschaft, Konsulaten oder dem Reiseveranstalter erhält. Preis 25 Euro. Bei der Ausreise werden 25 CUC Flughafengebühr verlangt, das entspricht ca. 22,60 Euro.

Beste Reisezeit: November bis April.

Währung: Auf Kuba gilt ein Zweiwährungssystem. Zahlungsmittel für Urlauber ist die Devisenwährung Peso Convertible (CUC). Die nationale Währung ist der kubanische Peso (CUP). Ein CUC entspricht ca. 0,88 Euro.

Unterkunft
In Casas Particulares: Havanna: z. B. Casa Sarahi, Peña Pobre No. 107, Tel. 00 53 - 7 - 8 67 40 75. Das nette Privatquartier mit drei kleinen Zimmern befindet sich im ersten Stock. Preis: ca. 28 Euro/Nacht im DZ.

Trinidad: Casa Milagros, José Martí No. 416 A, Tel. 00 53 - 41 - 99 48 56, Preis: ca. 23 Euro/Nacht im DZ. Nahe der Altstadt liegt das sympathische Haus mit drei Zimmern.

Baracoa: Casa Colonial, Martí No. 287, Tel. 0053 - 21 - 64 19 17, Preis: ca. 23 Euro/Nacht im DZ. Schön renoviertes Kolonialhaus mit drei kleinen Zimmern.

Vermeiden: Bettelnden Kindern Geld geben. Betteln ist verboten, und Eltern bettelnder Kinder werden bestraft. Besser gibt man den Kids etwas Nützliches wie Kugelschreiber oder Schreibhefte.

Veranstalter
Einige kleinere Reiseveranstalter wie Erlebe Cuba, www.erlebekuba.de , oder Cuba Erlebnisreisen, www.cuba-erlebnisreisen.de , haben sich auf Reisen mit Privatquartieren spezialisiert. Auch große wie Marco Polo Reisen, www.marco-polo-reisen.de , haben sie in ihre Katalogreisen mit aufgenommen.

Allgemeine Informationen
Kubanisches Fremdenverkehrsbüro, Stavangerstraße 20, 10439 Berlin, Tel. 030 / 44 71 96 58, www.cubainfo.de