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Fragwürdige Machenschaften und falsche Vorwürfe: In der Ku-Klux-Klan-Affäre tut Aufklärung dringend Not. Die Ministerialen wussten deutlich vor der abgesagten Türkeireise Bescheid.

Stuttgart - Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat in der Ku-Klux-Klan-Affäre bereits Mitte August dieses Jahres das Innenministerium über das frühere Leck in den eigenen Reihen informiert. Das ergaben entgegen anders lautenden Meldungen Recherchen unserer Zeitung. Die zuständige Fachabteilung der Ministerialen sei mündlich wie schriftlich „rechtzeitig informiert worden, um alle notwendigen Maßnahmen in angemessener Zeit treffen zu können“, hieß es aus Sicherheitskreisen. Damit wäre Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube in dem Punkt entlastet. Ihr war in den vergangenen Tagen mehrfach vorgeworfen worden, ihr Haus habe das Ministerium zu spät über den Vorfall unterrichtet.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte am vergangenen Mittwoch versichert, er sei erst Anfang Oktober über den Verrat des Geheimen informiert worden und deshalb im Anschluss eine Türkei-Reise mit dem Ministerpräsidenten absagte. Dies lässt nach jetzigem Kenntnisstand nur den Schluss zu, dass die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Innenministerium die Information erst mit einer Verzögerung von etwa anderthalb Monaten an die Hausspitze weiterleitete.

Dies wäre dann möglicherweise in dieser Affäre das zweite Mal, dass Gall von seinen Beamten nicht so rasch wie gewünscht informiert wurde. Die Opposition argwöhnt seit längerem, dass der Minister von der früheren Mitgliedschaft zweier Polizeibeamter beim Ku-Klux-Klan erst Ende Juli durch Presseberichte erfahren hat. Das im Innenministerium angesiedelte Polizeipräsidium aber sei bereits spätestens seit Anfang des Jahres informiert gewesen, heißt es.

Der mutmaßliche Verräter arbeitete im Regierungspräsidium auf der Poststelle

Der NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin, der eine Verbindung zwischen den Ku-Klux-Klan-Aktivitäten der Beamten und dem Mord an einer Polizistin durch die Zwickauer Terrorzelle prüft, habe zudem schon im Juni vom Ministerium die entsprechenden Akten erhalten – also lange bevor Gall von der Sache erfahren und eine Untersuchung angeordnet habe. Im Innenministerium wird zumindest dies bestritten: „Diese Sache lief sauber.“ Man habe dem U-Ausschuss nicht vorgreifen wollen und deshalb zunächst einmal geschwiegen. Die Opposition will im Ständigen Ausschuss des Landtags Gall in der kommenden Woche dazu befragen.

Der mutmaßliche Verräter im Verfassungsschutz, Thorsten D., soll den Anführer der Ku-Klux-Klan-Sektion in Deutschland im Jahr 2002 über eine Überwachungsmaßnahme informiert haben. Daraufhin wurde er mit sofortiger Wirkung an das Regierungspräsidium abgeordnet, wo entsprechende Verdachtsfälle regelmäßig „geparkt“ werden, wie ein Insider sagt. Der mutmaßliche Verräter arbeitete dann im Regierungspräsidium auf der Poststelle.

Den Amtssitz der Verfassungsschützer durfte er nicht mehr betreten, den Geheimen war der weitere Kontakt mit ihm verboten. Das sei Standard in solchen Fällen, heißt es.

Sexuelle Belästigung

Thorsten D. arbeitete bei den Nachrichtendienstlern im besonders sensiblen Bereich der G-10-Überwachung als Technikexperte. Welche Motive ihn zu dem Verrat trieben, ist noch unklar. Er selbst hat damals die Tat bestrichen. Ehemalige Kollegen beschreiben ihn als nassforschen Aufreißertypen, der sich für etwas Besseres hielt und immer wieder Grenzen überschritt. „Der war eigentlich charakterlich nicht geeignet für den Job“, heißt es.

Warum weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich gegen Thorsten D. vorgegangen wurde, ist unklar. Gall hat dazu bis kommenden Dienstag einen Bericht angefordert. Insider vermuten, dass man nicht wollte, dass der peinliche Vorgang öffentlich wird. Thorsten D. sei zuzutrauen gewesen, dass er sich mit allen Mitteln gegen juristische Schritte gewehrt hätte.

Auch nach seiner Strafversetzung ins Regierungspräsidium soll Thorsten D. 2005 erneut unangenehm aufgefallen sein. Von sexueller Belästigung ist die Rede. Als dr Ex-Schlapphut 2006 darum bat, bis auf weiteres unbezahlten Urlaub nehmen zu dürfen, Wurde diesem Wunsch entsprochen. Bereits im Juli tauchte der Ex-Geheimdienstler dann im Fernsehen auf: Für die Pro 7-Produktion „Die Auswanderer“ ließ er sich mit der Kamera dabei begleiten, wie er im Westen Kanadas samt Familie eine Abenteuerranch für Touristen aufbaute. Aus dem mutmaßlichen Geheimnisverräter wurde ein Pferdeflüsterer. Mit beschränktem Erfolg: Sein Wunsch, wieder als Beamter in den Landesdienst zurück zu kehren, hatte die Ku-Klux-Klan-Affäre im Verfassungsschutz erst an die Öffentlichkeit gespült.