Der Drogenverkauf finanzierte zugleich den Konsum des Angeklagten. Foto: dpa/Daniel Karmann

Ein 37-Jähriger aus Ludwigsburg hat 2020 Geschäfte mit Drogen gemacht. Ein Datenpaket hatte die Polizei auf die Spur des Mannes geführt.

Ein 37-Jähriger hat vor dem Landgericht Stuttgart eingeräumt, als Zwischenhändler im Jahr 2020 im Raum Ludwigsburg rund 95 Kilogramm Marihuana über Kryptohandys gekauft und an diverse Abnehmer weiterverkauft zu haben. Sein Verteidiger erklärte, mit den Einnahmen habe der Mann seinen eigenen Drogenkonsum finanziert. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann insgesamt 55 Taten des Rauschgifthandels zwischen April und August 2020 vor.

In der Regel orderte der Angeklagte demnach ein bis zwei Kilogramm Marihuana, in wenigen Fällen drei bis fünf Kilogramm von durchschnittlicher Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von etwa zehn Prozent. Die Drogen wurden entweder in seine damalige Wohnung nach Ludwigsburg gebracht oder direkt an von ihm bestimmte Abnehmer geliefert. Die Geschäfte wurden über so genannte Kryptohandys der Marke Sky-ECC getätigt, die lange Zeit als nicht zu knacken galten.

Einkaufspreise zwischen 4500 und 6000 Euro

Bei einer Hausdurchsuchung und Festnahme des gelernten Kfz-Mechatronikers Anfang Dezember des vergangenen Jahres hatte dieser noch versucht, den Besitz von Marihuana zu vertuschen, indem er einen Beutel mit rund 300 Gramm Marihuana vom Balkon seiner Wohnung warf. Dabei wurde er jedoch von Polizisten beobachtet. Erst acht Tage vorher war er aus dem Gefängnis entlassen worden. Der 37 Jahre alte Angeklagte saß eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ab, zu der ihn das Amtsgericht Ludwigsburg verurteilt hatte.

Zu dem Geständnis kam es, weil Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sich gleich zu Beginn des Verfahrens auf eine Prozessverständigung einigten. Danach wurde dem 37-Jährigen im Gegenzug für das Geständnis ein Strafkorridor zwischen neun Jahren und fünf Monaten und zehn Jahren und zehn Monaten zugesagt. Zudem wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von rund 89 600 Euro beschlossen. Bei der Festnahme waren 1360 Euro Bargeld beschlagnahmt worden, die aus Rauschgiftgeschäften stammten. Laut Staatsanwaltschaft habe der Mann die Drogen mit einigem Gewinn verkauft. Eingekauft habe er das Marihuana zum Kilopreis zwischen 4500 und 6000 Euro.

2021 konnte Sky-ECC infiltriert werden

Eine Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes erklärte, ihre Dienststelle habe ein Datenpaket zugewiesen bekommen, bei dem die Geodaten schwerpunktmäßig im Bereich Ludwigsburg gewesen seien. Sie habe darauf ermittelt, dass der Angeklagte unter dem Nutzernamen „Good action“ agiert habe, seine Quelle habe sich „Nur ein Schuss“ genannt. Aus den Inhalten der Kommunikation habe sich ergeben, dass der Angeklagte im Kfz-Bereich tätig sei. Nach einer folgenden Überprüfung diverser Firmen habe man den Angeklagten als Täter ermittelt.

Sky-ECC war einer von mehreren Dienstleistungsanbietern in Europa und Kanada, die Kryptohandys mitsamt Ende-zu-Ende verschlüsselter Instant-Messenger anboten. Die Geräte verfügten weder über Mikrofone noch Kameras und kommunizierten ausschließlich über den Server des Anbieters. Nachdem diese Dienste lange Zeit als nicht zu knacken galten, gelang es einer Kooperation von belgischen, französischen und niederländischen Ermittlern nach zwei Jahren Planung im März 2021, das System von Sky-ECC zu infiltrieren und Zugriff auf rund eine Milliarde verschlüsselte Nachrichten von circa 70 000 Nutzern zu bekommen. Bei Hausdurchsuchungen in ganz Europa wurden Geldbeträge in Millionenhöhe und mehrere Tonnen Drogen sichergestellt. Darunter auch die Daten des Ludwigsburgers.

Der Prozess wird am 17. April fortgesetzt, das Urteil soll am 3. Mai verkündet werden.

Verwertung der Daten

Kryptohandys
Über die juristische Verwertbarkeit der Daten aus Kryptohandys in Strafprozessen wird gestritten, da diese grundsätzlich auch für nicht strafbares Verhalten genutzt werden können und somit Grundrechte verletzt sein können. Der Bundesgerichtshof hat im Fall von EncroChat-Daten die Verwertung für zulässig erachtet.

Verfahren
Wie es für andere Anbieter wie Anom oder eben Sky-ECC aussieht, ist noch nicht ganz geklärt. Es laufen noch Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof.