Im Eimer werden die Kröten sicher über die Straße getragen und am Tümpel freigelassen. Foto: Laura Wallenfels

Wenn die Nächte milder und feuchter werden, beginnt die Zeit der Krötenwanderung. Im Höfinger Tal sind die Tiere auf Hilfe angewiesen, um ihr Ziel sicher zu erreichen.

Es ist 7 Uhr morgens, die Luft ist kühl und feiner Nieselregen liegt in der Luft. Janina Hartmann, Mitglied des Leonberger Nabu-Ortsverbandes, zieht sich Gummihandschuhe über. Gemeinsam mit Georg ist sie heute auf Patrouille entlang des Amphibienschutzzauns im Höfinger Tal. Ihre Mission: Leben retten.

 

„Die Nacht war frisch, aber nicht zu kalt. Das sind die optimalen Bedingungen“, erklärt Janina Hartmann. Milde Temperaturen über fünf Grad holen die Amphibien aus der Winterstarre. Doch ein Balanceakt ist es trotzdem: Wird es zu kalt oder friert es gar, bleibt die Krötenwanderung aus. „Dann wissen wir schon vorher, dass es eine Nullzählung wird“, sagt Janina Hartmann. Jeden Morgen kontrollieren die freiwilligen Helfer die Amphibienschutzzäune entlang der Mühlstraße. Ihre Aufgabe ist es, die Tiere aus den Fangeimern zu sammeln und sicher über die Straße zu bringen. Das Ziel ist ein kleiner Teich auf dem Areal der ehemaligen Kläranlage Felsensägmühle. Doch auf dem Weg dorthin lauert die größte Gefahr: die Straße. Nur wenige Meter trennen die Tiere von ihrem Laichgewässer, doch ohne Schutzbarrieren würden viele überfahren, bevor sie es erreichen.

Renaissance der Amphibien: Vom Schutz zur Artenvielfalt

Dass sich hier überhaupt so viele Amphibien angesiedelt haben, ist eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Noch in den 1960er Jahren war die Glems stark verschmutzt – eine Stellungnahme des Umweltministeriums aus dem Jahr 1995 zeigt, dass der Fluss damals in die zweitschlechteste Gewässergüteklasse eingestuft wurde. Die 1968 errichtete Kläranlage Felsensägmühle sollte das Problem lösen. Doch als die große Kläranlage Mittleres Glemstal 1998 in Betrieb ging, wurde die Felsensägmühle überflüssig und abgerissen. Im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme für den 2008 abgeschlossenen sechsspurigen Ausbau der A 8 zwischen Leonberg und Heimsheim wurde das Areal der alten Feslensägemühle naturnah umgebaut. Ein Wehr wurde entfernt, der Bachlauf neu gestaltet und Amphibientümpel angelegt, die nun Lebensraum für zahlreiche Tiere bieten.

Georg ist Rentner und heute zum ersten Mal als freiwilliger Helfer dabei. Ihm ist es wichtig, in seiner freien Zeit etwas zurückzugeben. Deswegen engagiert er sich nun beim Leonberger Naturschutzbund. Schon im ersten Fangeimer, der in den Boden eingegraben ist, macht Georg einen Fund. Unter dem Laub versteckt liegt ein kleiner Bergmolch. Vorsichtig hebt er das Tier heraus. Ein erfreulicher Fund, denn in den vergangenen Jahren sind die Zahlen der Bergmolche dramatisch gesunken.

Warum verschwinden die Bergmolche aus dem Höfinger Tal?

Vor ein paar Jahren konnten die NaBu-Helfer hier noch Hunderte Molche zählen. 2021 lag die Zahl bei 1019 Tieren. Zwei Jahre später, im Jahr 2023, waren es nur noch 169. Warum verschwinden die Bergmolche aus dem Höfinger Tal? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht . „Natürlich haben wir mehrere plausible Vermutungen, aber uns fehlen die Belege“, erklärt Rainer Selig, Mitglied des Sprecherteams vom Leonberger Nabu. Ein möglicher Grund könnte der heiße Sommer 2022 sein. Im Juli wurden in mehreren Bundesländern Rekordtemperaturen von mehr als 40 Grad Celsius gemessen, auch in Baden-Württemberg. Solche Extreme könnten die Lebensbedingungen der Amphibien drastisch verändert haben. Aber auch menschliche Eingriffe spielen eine Rolle: Rodungsarbeiten und Bauprojekte rund um die Mühlstraße könnten das große Sterben verstärkt haben.

Im Morgengrauen schon auf den Beinen, um die Tiere zu retten: Janina Hartmann und Georg Foto: Laura Wallenfels

Janina arbeitet hauptberuflich als Softwareentwicklerin. In ihrer Freizeit engagiert sie sich seit zwei Jahren beim Nabu. Klimaschutz ist für viele oft ein abstraktes Thema. Hier kann man richtig mit anpacken, das gefällt ihr. Entlang des Zauns werden Eimer für Eimer geleert. Erdkröten, Bergmolche, Wasserfrösche – alle werden eingesammelt, gezählt und fein säuberlich notiert. Dann geht es weiter zur anderen Straßenseite, wo die Tiere am Tümpel freigelassen werden. Ein paar Meter die Straße entlang Richtung Tümpel endet dann auch der Schutzzaun. Und plötzlich liegen auf dem Asphalt tote Kröten, überfahrene Molche, überall verstreute Überreste. Hier zeigt sich, wie entscheidend die Barrieren für den Schutz der Amphibien sind: Wo der Zaun endet, beginnt das Sterben. „Für die Tiere wäre es natürlich am besten, wenn diese Straße gesperrt wird“, sagt Rainer Selig. Aber so einfach geht das natürlich nicht. Umweltschutz bringt immer einen Interessenkonflikt mit sich. Und häufig zieht die Natur den Kürzeren.