Wie versteinert thront das alte Dörfchen Lubenice auf einem Felsenriff hoch über dem Meer auf der Insel Cres. Zehn Menschen leben noch hier. Foto: Fitzthum

Auf den kroatischen Inseln Cres und Mali Losinj in der Kvarner Bucht ist es selbst im November noch angenehm warm - ideal zum Wandern.

Cres - Mit der Bora ist nicht zu spaßen. Wie ein wildes Tier fauchte sie die ganze Nacht durchs Gebälk, als wolle sie nicht eher Ruhe geben, bis der letzte Dachziegel abgedeckt ist. Jetzt, am Morgen, weht der berüchtigte Fallwind noch immer, aber die Szenerie hat ihre Bedrohlichkeit verloren. Denn die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel. Auf der geschützten Frühstücksterrasse ist es schon um 9 Uhr morgens mollig warm - und das Anfang November. Versöhnt blickt man in die Runde, auf Bucht und Hafen von Cres, den Hauptort der gleichnamigen Adria-Insel.

66 Kilometer lang, aber nur maximal zehn Kilometer breit, liegt sie in der Kvarner Bucht zwischen Istrien und der dalmatischen Küste. Von einem Inselidyll mit Palmen und Sandstrand kann allerdings keine Rede sein: Das kroatische Eiland ist ein raues Stück Erde, kaum besiedelt und nur spärlich bewachsen - im Sommer heiß und schattenarm, im Herbst aber wunderbar mild: genau die Wärme, die man braucht, wenn einem ein deutscher Winter bevorsteht. Endlich mal ein wohltemperiertes Wanderziel, das man auch ohne Flieger erreichen kann - mit dem Nachtzug von München nach Rijeka.

Die Entscheidung war richtig: Überfüllte Restaurants und überlaufene Wanderwege muss man auf Cres in dieser Jahreszeit nicht befürchten. Die rund 2500 Insulaner leben von den Gästescharen, die im Sommer kommen, zum Baden, Tauchen und Segeln. Entsprechend nachlässig sind die Angebote für die Nachsaison. Das Wanderwegenetz befindet sich noch im Aufbau und beschränkt sich vorerst auf die Umgebung der Inselhauptstadt. Auch wenn die Bora einem die Nachtruhe geraubt hat, das Wandervergnügen vermag sie nicht zu trüben. Man muss sich einfach nur sehr gut überlegen, welche Tour man macht. Im Schutz des Bergzugs ist es völlig windstill, während man auf dem Kamm weggeblasen würde. Die Gänsegeier müssen deshalb aus dem Tagesprogramm gestrichen werden.

Aus der Kartenskizze wird man nicht wirklich schlau

Die wären bei Beli zu beobachten gewesen, dem zweiten zusammenhängenden Wandergebiet der Insel. Das liegt jedoch am Ostufer, wo der vom Festland kommende Wind jetzt ungebremst hineinfegt. Also hinüber ins Fischerdorf Valun. Wanderung Nummer fünf. Drei Stunden? Oder viereinhalb? Aus der Kartenskizze wird man nicht wirklich schlau. Auch die Markierungen sind ziemlich sparsam. Umso bezaubernder ist der sich an den Hang schmiegende Weg: Tief unten die ultramarinblaue Bucht, im Westen streckt sich Istrien aus dem Wasser, und im Norden dämmert der voralpine Karst im Dunst. Immer wieder fällt der Blick auf türkisgrün schimmernde Badebuchten, in die sich in dieser Jahreszeit nicht einmal ein Fischerboot verirrt.

Es duftet nach Thymian und Wacholder, an kleinblättrigen Bäumchen hängen erdbeerähnliche Früchte. Ärgerlich nur, dass es auf der Fahrstraße nach Valun hinuntergeht. Erst im letzten Drittel zweigt ein alter Hohlweg ab, unmarkiert. Dornenranken greifen nach den Schnürsenkeln, Astwerk muss zur Seite geschoben werden. Not macht jedoch gesprächig. Ein paar Worte mit einer alten Frau genügen, um den perfekt erhaltenen Saumpfad nach Lubenice zu finden. Na bitte! Lubenice ist das touristische Highlight des Eilands: Wie versteinert thront das alte Dörfchen auf einem Felsenriff hoch über dem Meer.

Zehn Menschen leben hier noch in ineinander verschachtelten Steinhäusern. Um nach Cres zurückzukommen, muss man auf den Bus warten, heute zumindest. Er müsse in seinen Olivenplantagen arbeiten, hatte der Taxifahrer am Telefon gesagt, und beim Kollegen bräuchte man es gar nicht erst versuchen. Auch der sei in diesen Tagen auf seinen Feldern zugange. Weniger Widerstände erwarten den Wanderer auf der Nachbarinsel Mali Losinj, die durch eine Drehbrücke mit der Südspitze von Cres verbunden ist. Hier gibt es nicht nur genügend Taxis und eine brauchbare Karte, sondern auch einen knackigen Berg, die 588 Meter hohe Televrina, die bei den Kroaten Osorscica heißt. Das älteste Foto vom Gipfel datiert von 1887. Es zeigt Rudolf von Habsburg mit einem ganzen Tross von Bediensteten - der österreichische Thronfolger war hier auf Geierjagd. Mali Losinj gehörte damals zu den beliebtesten Kurorten der Donaumonarchie.

Der Maultierweg ist bestens markiert

Die Insel ist mit derart milden Temperaturen gesegnet, dass blaublütige Familienclans hier zu überwintern pflegten. Der zahmste Anstieg beginnt am verwaisten Campingplatz der einstigen Inselhauptstadt Osor. Sofort taucht man in eine Buschlandschaft mit einer beispiellosen Artenvielfalt ein. Der Maultierweg ist bestens markiert, gut gepflastert und von hüfthohen Trockenmauern umgeben. Länger als geplant hockt man dann an der einzigen bewirtschafteten Berghütte des Archipels. Nicht nur wegen der einmaligen Sicht aufs Meer, der Wirt muss den Kessel mit Bohnensuppe erst noch übers Feuer hängen. Weil Sonntag ist, hat sich auch eine Gruppe kroatischer Berggänger eingefunden. Sie sind schon oben gewesen, fühlen sich wie Mount-Everest-Bezwinger und geraten zunehmend in Feierstimmung. Der Schlussanstieg verläuft auf einem sanft ansteigenden Bergrücken. Mal sieht man das Meer auf der einen, mal auf der anderen Seite.

Es gibt sogar eine Passage, die mit einem Stahlseil gesichert ist. Der Blick fällt auf den Westabhang des Massivs, auf dem die Natur ganz sich selbst überlassen ist. Hinter der wild gezackten Uferlinie glitzert die Adria in der Nachmittagssonne. Mittendrin ein schwarzer Streifen: Unije, die größte der Satelliteninseln von Mali Losinj. Wie in Zeitlupe navigiert das tägliche Postschiff durch einen Ozean aus Goldbronze. Europa scheint Lichtjahre entfernt. Die Zeit steht still. Beim Abstieg nach Nerezine huschen ein paar versprengte Schafe durch die Macchia. Je näher man dem großen Hafendorf kommt, desto offener wird die Landschaft.

Verwilderte Weideflächen und Olivenhaine bestimmen nun das Bild. Mit hohen Steinmauern sind sie von den Nachbargrundstücken getrennt. Sie erinnern an die längst vergangenen Zeiten, in denen die Schafzucht auf dem Inselpaar noch eine große Rolle spielte. In den Dörfern ist hingegen die Zukunft präsent: Selbst am abgehalftertsten Wohnhaus hängt eine moderne Klimaanlage an der Außenwand. Die hässlichen Geräte wirken nicht nur wie ein Menetekel der globalen Klimaerwärmung. Sie zeigen auch, wie ungemütlich heiß es in den Monaten ist, in denen der Wanderer den Inseln besser fernbleibt.

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Infos zu Cres

Anreise
Mit dem Nachtzug über München und Ljubljana bis nach Rijeka: www.bahn.de

Unterkunft
Hotel Televrin, Nerezine, www.televrin.com , DZ mit Frühstück ab 40 Euro/Person, HP ab 55 Euro. Mare Mare, exklusives B&B direkt am Hafen von Mali Losinj, DZ ab 52 Euro pro Person, kein Abendessen möglich, www.mare-mare.com.

Villa Lavanda, Cres, alle Zimmer mit Meerblick, DZ oder Ferienwohnung ab 20 Euro/Person, z. B. über www.valandaselect.de .

Essen
Konoba Chalvien, Mali Losinj, beste Fisch- und Lammgerichte, freundliche Bedienung.

Allgemeine Informationen
Tourismusverband Mali Losinj, www.tz-malilosinj.hr