Der Schriftsteller Edo Popovic und seine Hassliebe zu Zagreb:Mal aus der Ferne mit Blick auf die Hochhäuser im Süden der Stadt; dann wieder aus der Nähe, im aufgehübschten Zentrum, wo die Probleme der Gesellschaft ausgeblendet scheinen.
"Ich habe die Nase voll von Zagreb. Definitiv. Das ist vorbei. Ich muss hier raus." Edo Popovic sitzt auf eigenen Vorschlag im viel zu engen Minicafé des Megastores in der Bogoviceva Straße. Bücher, CDs, Schulkram - auf drei Stockwerke verteilt, der beste Laden seiner Art in Zagreb, alles da, was man so braucht, vom Studentenfutter bis zum Hausfrauenkrimi, und im Erdgeschoss Popovics Prosa. Aber es ist nicht die Eitelkeit, die ihn hierher treibt. Zwischen Büchern fühlt er sich am wohlsten. Außerdem macht der Schriftsteller Mittagspause, gleich um die Ecke arbeitet er für einen Verlag auf Honorarbasis. Popovic trinkt einen doppelten Schwarzen, und unterbricht immer wieder seine Abrechnung mit der Stadt, weil ihn irgendwer begrüßt. Freie Journalisten, Redakteure, Ex-Kollegen der größten Zagreber Tageszeitungen. "Und Edo, was machst du so?", fragt einer. "Nichts Besonderes", sagt Popovic. Der andere verabschiedet sich wortlos lächelnd, mit seinen Fingern auf einer imaginären Tastatur tippend.
Fast hat man den Eindruck, diese Begrüßungsrunde sei inszeniert für den Schreiber aus Deutschland. Aber auch das ist Quatsch: Denn diesen Popovic kennt wirklich jeder. Der 52-Jährige braucht diese Stadt wie seinen täglichen Schwarzen, auch wenn er etwas anderes behauptet. "Zagreb? Vergiss es. Bergsteigen. Das ist es. Ich komme gerade von einer Tour im Velebit-Gebirge. Da oben gibt es etwas, das ist unbeschreiblich. So eine Ahnung von Freiheit, irgendeine merkwürdige Leere. Wenn nur nicht die vielen Minen wären." Und da war er schon wieder, einer dieser rhetorischen Absacker. Edo Popovic spricht wie er denkt und wie er schreibt: Herzlich negativ. Sarkastisch. Satirisch. Apokalyptisch. Es gibt Leute, die erkennen darin einen slawischen Humor. "Wenn du meinst", blafft der Schriftsteller zurück. Und dann folgt ein unerwartet unprätentiöses Gespräch über die Literatur, den Krieg, seinen 17 Jahre alten Opel Kadett und die Melancholie eines Künstlers, der in seiner Karriere viel von dem erreicht hat, was man sich wünschen kann. Sein biografisch angehauchter Schlüsselroman "Die Spieler" ist frisch übersetzt und auf der vergangenen Leipziger Buchmesse präsentiert worden. Edo Popovic ist zweifellos das Aushängeschild der kroatischen Literatur.
Und trotzdem wirkt er nicht wirklich glücklich. Bleiche Haut, hohe, ausgestülpte Wangenknochen. Halblanges, flirrendes Haar. Dünne Lippen. Aggressives Augenblitzen. Jedes Wort ein Statement, ein Protest. Zu alt für Rock'n'Roll. Und viel zu jung für den Tod. Oder mit anderen Worten: Dieser Mann leidet an der Zeit.