Foto: Christian Kortüm

Der Schriftsteller Edo Popovic und seine Hassliebe zu Zagreb:Mal aus der Ferne mit Blick auf die Hochhäuser im Süden der Stadt; dann wieder aus der Nähe, im aufgehübschten Zentrum, wo die Probleme der Gesellschaft ausgeblendet scheinen.

Baba kann nicht mehr. Der ehemalige Topjournalist hängt in den Seilen wie ein angezählter Boxer. Das Leben prügelt auf ihn ein. Baba bekommt keinen vPopovicernünftigen Satz mehr aufs Papier. Auf die konsumistischen Verheißungen der neuen Zeit pfeift er. Seinen Schmerz ertränkt er im Bier, das nicht einmal mehr in Kroatien gebraut wird. "Es stellte sich heraus, dass diese legendäre Demokratie, von der man soviel erzählt hatte, im Grunde nichts anderes ist als ein Arschtritt für das heimische Bier." Und wenn er nicht mehr weiter weiß oder den verbitterten Grabphilosophen auf sich und die globalisierte Gerstenplörre gibt, irrt er herum in diesem unbekannten Labyrinth namens Zagreb wie ein Versehrter. "Zu alt für Rock'n'Roll, zu jung für den Tod", heißt es im Roman Ausfahrt Zagreb-Süd, mit dem der Autor Edo Popovic vor zwei Jahren endlich auch im deutschsprachigen Raum bekannt wurde. Und mit ihm ein Teil der Stadt, den der Bimmelbus des städtischen Fremdenverkehrsamtes nie ansteuert: die monotonen Plattenbauten im Süden Zagrebs, das betongraue Ghetto der Verlierer. Genauer gesagt: Utrina, jenes Viertel, das von Popovic selbst und den meisten seiner abgewrackten Romanfiguren bewohnt wird. Wo die "lost generation" der vermeintlich pulsierenden Metropole haust. Die dauertrunkene Generation Ex.

"Ich habe die Nase voll von Zagreb. Definitiv. Das ist vorbei. Ich muss hier raus." Edo Popovic sitzt auf eigenen Vorschlag im viel zu engen Minicafé des Megastores in der Bogoviceva Straße. Bücher, CDs, Schulkram - auf drei Stockwerke verteilt, der beste Laden seiner Art in Zagreb, alles da, was man so braucht, vom Studentenfutter bis zum Hausfrauenkrimi, und im Erdgeschoss Popovics Prosa. Aber es ist nicht die Eitelkeit, die ihn hierher treibt. Zwischen Büchern fühlt er sich am wohlsten. Außerdem macht der Schriftsteller Mittagspause, gleich um die Ecke arbeitet er für einen Verlag auf Honorarbasis. Popovic trinkt einen doppelten Schwarzen, und unterbricht immer wieder seine Abrechnung mit der Stadt, weil ihn irgendwer begrüßt. Freie Journalisten, Redakteure, Ex-Kollegen der größten Zagreber Tageszeitungen. "Und Edo, was machst du so?", fragt einer. "Nichts Besonderes", sagt Popovic. Der andere verabschiedet sich wortlos lächelnd, mit seinen Fingern auf einer imaginären Tastatur tippend.

Fast hat man den Eindruck, diese Begrüßungsrunde sei inszeniert für den Schreiber aus Deutschland. Aber auch das ist Quatsch: Denn diesen Popovic kennt wirklich jeder. Der 52-Jährige braucht diese Stadt wie seinen täglichen Schwarzen, auch wenn er etwas anderes behauptet. "Zagreb? Vergiss es. Bergsteigen. Das ist es. Ich komme gerade von einer Tour im Velebit-Gebirge. Da oben gibt es etwas, das ist unbeschreiblich. So eine Ahnung von Freiheit, irgendeine merkwürdige Leere. Wenn nur nicht die vielen Minen wären." Und da war er schon wieder, einer dieser rhetorischen Absacker. Edo Popovic spricht wie er denkt und wie er schreibt: Herzlich negativ. Sarkastisch. Satirisch. Apokalyptisch. Es gibt Leute, die erkennen darin einen slawischen Humor. "Wenn du meinst", blafft der Schriftsteller zurück. Und dann folgt ein unerwartet unprätentiöses Gespräch über die Literatur, den Krieg, seinen 17 Jahre alten Opel Kadett und die Melancholie eines Künstlers, der in seiner Karriere viel von dem erreicht hat, was man sich wünschen kann. Sein biografisch angehauchter Schlüsselroman "Die Spieler" ist frisch übersetzt und auf der vergangenen Leipziger Buchmesse präsentiert worden. Edo Popovic ist zweifellos das Aushängeschild der kroatischen Literatur.

Und trotzdem wirkt er nicht wirklich glücklich. Bleiche Haut, hohe, ausgestülpte Wangenknochen. Halblanges, flirrendes Haar. Dünne Lippen. Aggressives Augenblitzen. Jedes Wort ein Statement, ein Protest. Zu alt für Rock'n'Roll. Und viel zu jung für den Tod. Oder mit anderen Worten: Dieser Mann leidet an der Zeit.